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Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niel Bushnell
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Schmerz und Lachen und Erinnerungen. Er winkte Davey näher heran, dann legte er einen Arm um seinen jungen Großvater und zog ihn an sich, sodass jeder den Kopf auf der Schul ter des anderen ablegen konnte, während er mit der anderen Hand den Erdboden berührte. Der Friedhof wich aus seinen Gedanken, der Radius seiner Wahrnehmung wurde immer kleiner, und alles wurde grau, bis nur noch Davey und er und die Grabstelle übrig waren. Er atmete langsam aus, und dann waren sie verschwunden, befanden sich zusammen im Tränentunnel, reisten stromaufwärts, und ihre Geschwindigkeit steigerte sich mit jeder Sekunde, die verging.
    Die Flut von Emotionen kam in Wellen, die ihn manchmal in einen Abgrund der Verzweiflung zu ziehen drohten, und dann, gerade als er glaubte, es nicht länger ertragen zu können, flossen die Emotionen davon und ließen eine Leere zurück, die seinen ganzen Körper taub werden ließ.
    Seine Gedanken trieben dahin. Sie rasten zurück ins Jahr 2008, zurück zu dem Tag, an dem seine Mutter gestorben war. Das Datum hatte sich für immer in seine Erinnerungen gebrannt: der 6. Juni 2008, eine gewittrige Sommernacht. Er würde wieder dort ankommen und nichts tun können, um seine Mutter zu retten. Sie würde bereits tot sein. Zorn und Frustration durchströmten sein Herz, und dann war da ein Wort, mitten in seiner Verzweiflung – etwas, das Davey gesagt hatte, der Hinweis darauf, dass Jacks Talent vielleicht noch viel größer war. Ein Wort, das in dem Code versteckt gewesen war: Zeitenschmied.
    Das Wort schob sich durch seinen Verstand wie eine Na del aus Eis. Möglichkeiten offenbarten sich ihm. Der Tränen tunnel war nicht einfach ein Tunnel mit einem Anfang und einem Ende. Er war ein Netzgebilde, wie die Wurzeln eines Baumes, ineinander verschlungen, miteinander verbunden, ein Universum aus Verbindungen.
    Und dann geschah es. Der Tränentunnel sprach zu ihm.
    Was möchtest du? Die Worte formten sich um ihn herum.
    Ich möchte meine Mutter retten, antwortete Jack prompt in seinen Gedanken. Es war ihm egal, was es für Konsequen zen hatte, die Zukunft zu verändern. Zum Teufel mit der Zukunft! Wenn er seine Familie wieder in Ordnung bringen konnte, dann würde er das auch tun, und nichts konnte ihn daran hindern. Gar nichts.
    Irgendetwas streifte seine Haut, nichts Körperliches, sondern eine Vorstellung. Eine Idee. Ein Vorschlag. Er konnte den Tränentunnel nehmen und früher dort ankommen, bevor seine Mutter starb. Es war möglich, das stand fest. Er brauchte es einfach nur zu verlangen, und der Tränentunnel würde gehorchen. Die Aufforderung bildete sich in seinem Gehirn – wie Gefühle und Sinneseindrücke.
    Zwei Tage. Gib mir zwei Tage, um sie zu finden. Ich kann sie retten. Zwei Tage, um die Rose zu finden und vor Rouland zu bewahren. Ja, dachte er, das sollte genügen.
    Er spürte sofort eine Veränderung. Der Tränentunnel bog sich und fiel in sich zusammen, und er wurde in eine neue Richtung geworfen, einen neuen Tränentunnel entlang. Ihm schoss der Duft frischer Blumen in die Nase, gefolgt von einer neuen Welle untröstlicher Emotion, Anspannung und urtüm licher Wut. Gott sei Dank währte die unerträgliche Tortur nur kurz.
    Jack und Davey landeten auf der Erde, die Münder zu atemlosen Schreien aufgerissen. Jack öffnete die Augen und kniff sie gleich wieder zusammen; die tief am wolkenlosen Himmel stehende Sonne blendete. Er wusste intuitiv, dass es der vierte Juni war. Der Tränentunnel hatte ihm seinen Wunsch erfüllt. Er hatte zwei Tage, um seine Mutter zu retten.
    Er drehte sich zu Davey um. Sie sahen sich aus blutunterlaufenen Augen an und brachen in triumphierendes Lachen aus.
    »Du hast es geschafft, stimmt’s? Das hier ist 2008!«Davey schüttelte den Kopf. Er drehte sich staunend im Kreis und nahm das wunderschöne Panorama der Gebäude aus Stahl und Glas in sich auf, die von der Sonne in einem lodernden Orange angemalt wurden. Dann blieb er stehen und sah Jack an. Tränen sammelten sich in seinen Augen; er wischte sie so beiläufig weg, wie er konnte.
    »Alles okay mit dir?«, fragte Jack. Er kannte das Gefühl – immer noch am selben Ort zu sein, aber in einer ganz anderen Zeit, das Vertraute und das Neue auf beunruhigende Weise miteinander vermengt.
    »Ja.« Davey lächelte. »Meinst du nicht, wir könnten uns hier mal umsehen? Vielleicht ein paar Kneipen abklappern? Ich könnte einen Schnaps gebrauchen.« Er zog die Augenbrauen hoch und lächelte matt.
    »Komm«, sagte

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