Jack Reacher 01: Größenwahn
antwortete nicht. Er sah sehr beunruhigt aus.
»Hallo?« sagte die Stimme. »Sind Sie noch da?«
»Ja, Mr. Hubble«, sagte Finlay. »Ich bin am Apparat. Ich kann nichts finden, Sir. War nur falscher Alarm, schätze ich. Danke für Ihre Hilfe.«
»Okay«, sagte der Mann namens Hubble. »Nichts zu danken.«
Die Verbindung brach ab, und das Freizeichen erfüllte den Raum. Finlay legte den Hörer auf. Lehnte sich zurück und starrte an die Decke. Sprach mit sich selbst.
»Scheiße«, sagte er. »Hier in der Stadt. Wer zum Teufel ist Paul Hubble?«
»Sie kennen den Mann nicht?« fragte ich.
Er sah mich an. Ein bißchen reuig. Als hätte er vergessen, daß ich da war.
»Ich bin erst seit sechs Monaten hier«, sagte er. »Ich kenne noch nicht jeden.«
Er lehnte sich vor und drückte den Summer der Gegensprechanlage auf dem Rosenholzschreibtisch. Rief Baker herein.
»Haben Sie schon mal von einem Mann namens Hubble gehört?« fragte Finlay ihn. »Paul Hubble, wohnt hier in der Stadt, Beckman Drive fünfundzwanzig.«
»Paul Hubble?« fragte Baker. »Sicher. Er wohnt hier, ganz wie Sie sagen. Wohnte schon immer hier. Familienvater. Stevenson kennt ihn, ist irgendein angeheirateter Verwandter oder so etwas. Sie sind befreundet, glaube ich. Spielen Bowling zusammen. Hubble ist ein Banker. So ein Finanzmann, Sie wissen schon, ein großes Tier, leitender Angestellter, arbeitet in Atlanta. In irgendeiner großen Bank. Ich sehe ihn ab und zu.«
Finlay blickte ihn an.
»Er war der Typ am anderen Ende der Leitung«, sagte er.
»Hubble?« fragte Baker. »Hier in Margrave? Das ist übel.«
Finlay wandte sich mir zu.
»Ich nehme an, Sie haben noch nie von diesem Mann gehört?« fragte er mich.
»Noch nie«, sagte ich.
Er starrte mich kurz an. Drehte sich wieder zu Baker.
»Sie gehen besser los und bringen mir diesen Hubble«, sagte er. »Beckman Drive fünfundzwanzig. Gott weiß, was er mit alldem zu tun hat, aber wir sprechen besser mit ihm. Gehen Sie vorsichtig mit ihm um, Sie wissen schon, wahrscheinlich ist er ein anständiger Bürger.«
Er starrte mich wieder an und verließ den Raum. Schlug die schwere Tür hinter sich zu. Baker langte herüber und schaltete den Kassettenrecorder aus. Brachte mich aus dem Büro. Zurück in die Zelle. Ich ging hinein. Er folgte mir und entfernte die Handschellen. Befestigte sie wieder an seinem Gürtel. Trat zurück und schloß die Tür, Betätigte das Schloß. Die elektrischen Bolzen rasteten ein. Er ging weg.
»Hey, Baker!« rief ich.
Er drehte sich um und kam zurück. Sein Blick war ausdruckslos. Nicht freundlich.
»Ich möchte etwas zu essen«, sagte ich. »Und Kaffee.«
»Sie können im Staatsgefängnis essen«, antwortete er. »Der Bus kommt um sechs.«
Er verschwand. Er mußte los und diesen Hubble holen. Er würde mit entschuldigender Miene zu ihm gehen. Ihn bitten, ihn zum Revier zu begleiten, wo Finlay höflich mit ihm sprechen würde. Während ich in einer Zelle saß, würde Finlay diesen Hubble höflich fragen, warum seine Telefonnummer im Schuh eines Toten gefunden worden war.
Mein Mantel lag noch zusammengedrückt auf dem Boden. Ich schüttelte ihn aus und zog ihn an. Mir war wieder kalt. Ich stieß meine Hände in die Taschen, Lehnte mich an die Gitterstäbe und versuchte wieder Zeitung zu lesen, nur um die Zeit zu vertreiben. Aber ich konnte nichts aufnehmen. Ich dachte daran, daß jemand beobachtet hatte, wie sein Partner einem Mann in den Kopf schoß. Daß jemand den zuckenden Körper genommen und ihn über den Platz getreten hatte. Jemand, der genügend Wut und Kraft aufbrachte, um dem reglosen Toten alle Knochen zu zertrümmern. Ich stand da und dachte über Dinge nach, die ich hinter mir gelassen zu haben glaubte. Dinge, über die ich nicht mehr nachdenken wollte. Ich ließ die Zeitung auf den Teppich fallen und versuchte, an etwas anderes zu denken. Ich entdeckte, daß ich das ganze Mannschaftsbüro überblicken konnte, wenn ich mich in die eine Ecke aus Mauer und Gitterstäben lehnte. Ich konnte über die Theke hinweg und durch die Glastüren sehen. Draußen schien die Nachmittagssonne hell und heiß. Es sah wieder aus, als wäre es ein trockener, staubiger Ort. Das Regentief war weitergezogen. Drinnen war es kühl und hell. Der Wachhabende saß auf einem Hocker. Er arbeitete an seiner Schreibmaschine. Wahrscheinlich Ablage. Ich konnte unter seine Theke sehen. Dort befanden sich Fächer, die von vorn nicht einsehbar sein sollten. Ordentliche Fächer
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