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Jack Reacher 01: Größenwahn

Jack Reacher 01: Größenwahn

Titel: Jack Reacher 01: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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mit Papieren und Aktenordnern. Es gab auch welche mit chemischen Keulen. Eine Flinte. Alarmknöpfe. Hinter dem Wachhabenden arbeitete die Frau, die mir die Fingerabdrücke abgenommen hatte. Schreibarbeiten. Der große Raum war still, doch er summte vor einsatzbereiter Energie.

KAPITEL 4

    Die Leute geben Tausende von Dollars für Stereoanlagen aus. Manchmal sogar Zehntausende. Es gibt in den Staaten eine darauf spezialisierte Industrie, die Stereoanlagen in einer unglaublichen Qualität herstellt. Verstärker, die mehr kosten als ein Haus. Lautsprecher, die größer sind als ich. Kabel, die dicker sind als ein Gartenschlauch. Ein paar Jungs in der Army hatten so etwas. Auf allen Stützpunkten dieser Erde konnte ich sie hören. Wunderbar. Aber sie verschwendeten ihr Geld. Denn die beste Stereoanlage der Welt kostet nichts. Die im eigenen Kopf. Die klingt so gut, wie man sie haben will. Und ist so laut, wie man es möchte.
    Ich lehnte in meiner Ecke und ließ eine Nummer von Bobby Bland durch meinen Kopf ziehen. Ein altes Lieblingslied von mir. Ich hatte es richtig laut aufgedreht. ›Further on up the Road‹ - weiter oben auf der Straße. Bobby Bland singt es in G-Dur. Diese Tonart verleiht ihm einen ungewöhnlichen, einen heiteren, fröhlichen Touch. Nimmt das Boshafte aus dem Text. Macht daraus eine Klage, eine Vorhersage, etwas Tröstliches. Dadurch bekommt das Ganze die typische Blueswirkung. Das entspannte G-Dur verleiht ihm fast etwas Süßes. Nichts Boshaftes.
    Aber dann sah ich den fetten Polizeichef Vorbeigehen. Morrison, an den Zellen vorbei auf seinem Weg zum großen Büro im hinteren Teil. Gerade richtig zum Beginn der dritten Strophe. Ich zwang den Song hinunter in Es-Moll. Eine dunkle, bedrohliche Tonart. Die echte Blues-Tonart. Ich löschte den freundlichen Bobby Bland. Brauchte eine härtere Stimme. Eine, die boshafter war. Melodisch, aber mit dem rauchigen Timbre von Zigaretten und Whisky. Vielleicht Wild Child Butler. Jemand, mit dem man sich nicht anlegen will. Ich stellte die Lautstärke in meinem Kopf höher, für die Stelle über das Ernten dessen, was man gesät hat, weiter die Straße hinauf.
    Morrison log, was die letzte Nacht anging. Ich war um Mitternacht nicht dort gewesen. Eine Zeitlang war ich bereit gewesen, die Möglichkeit eines Irrtums in Betracht zu ziehen. Vielleicht hatte er jemanden bemerkt, der so aussah wie ich. Aber das hätte geheißen, den Zweifel zu seinen Gunsten auszulegen. Im Augenblick wollte ich ihm einen harten Schlag ins Gesicht verpassen. Seine fette Nase über das ganze Büro verteilen. Ich schloß die Augen. Wild Child Butler und ich versprachen uns, daß es dazu kommen würde. Weiter die Straße hinauf.
    Ich öffnete die Augen und schaltete die Musik in meinem Kopf ab. Vor mir, auf der anderen Seite der Gitterstäbe, stand die Polizistin mit den Fingerabdrücken. Sie kam gerade von der Kaffeemaschine.
    »Soll ich Ihnen einen Becher Kaffee bringen?« fragte sie mich.
    »Ja, sicher«, sagte ich. »Großartig. Ohne Milch und Zucker.«
    Sie stellte ihren eigenen Becher auf den nächsten Schreibtisch und ging wieder zurück zu der Maschine. Schüttete mir einen Becher ein und kam zu mir zurück. Sie war eine gutaussehende Frau. Um die dreißig, dunkelhaarig, mittelgroß. Aber keinesfalls ›mittelmäßig‹. Sie strahlte eine ganz bestimmte Energie aus. In dem Verhörraum war das als forsches Mitleid rübergekommen. Als professionelle Betriebsamkeit. Jetzt wirkte sie inoffiziell. War es wahrscheinlich auch. Mit Sicherheit verstieß es gegen die Regeln des fetten Chefs, dem Verurteilten Kaffee zu bringen. Ich mochte sie deshalb.
    Sie reichte mir den Becher durch das Gitter. Aus der Nähe sah sie wirklich gut aus. Roch gut. Ich hatte das vorhin nicht bemerkt. Ich erinnerte mich, daß sie wie eine Zahnarzthelferin auf mich gewirkt hatte. Wenn alle Zahnarzthelferinnen so gut aussähen, wäre ich öfter hingegangen. Ich nahm den Becher. Freute mich darüber. Ich war durstig, und ich liebe Kaffee. Wenn ich kann, trinke ich Kaffee, wie ein Alkoholiker Wodka trinkt. Ich nahm ein Schlückchen. Guter Kaffee. Ich erhob den Styropor-Becher wie zu einem Toast.
    »Danke«, sagte ich.
    »Nichts zu danken«, erwiderte sie, und sie lächelte, auch mit den Augen. Ich lächelte zurück. Ihre Augen waren wie ein willkommener Sonnenstrahl an einem verdorbenen Nachmittag.
    »Also meinen Sie nicht, ich hätte es getan?« fragte ich sie.
    Sie nahm ihren Kaffee von dort, wo sie ihn

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