Jack Reacher 01: Größenwahn
Geschäftsstelle es Ihnen nicht sagen will, richtig?«
»Sie brauchen eine Vollmacht«, sagte er.
»Aber Sie müssen wissen, wessen Nummer es ist, richtig?« fragte ich.
»Können Sie mir sagen, wie ich das ohne Vollmacht anstellen soll?«
»Vielleicht«, sagte ich. »Warum rufen Sie nicht einfach an und sehen, wer antwortet?«
Daran hatten sie noch nicht gedacht. Wieder herrschte Stille. Sie waren verlegen. Sie blickten einander nicht an. Mich auch nicht. Stille.
Baker stieg aus. Überließ Finlay das Feld. Er sammelte die Akten zusammen und zeigte pantomimisch, daß er sie draußen bearbeiten werde. Finlay nickte und winkte ihn raus. Baker stand auf und ging hinaus. Schloß die Tür ungeheuer leise hinter sich. Finlay öffnete den Mund. Schloß ihn wieder. Er mußte sein Gesicht retten. Dringend.
»Es ist ein Mobiltelefon«, sagte er. »Wenn ich anrufe, dann weiß ich nicht, wem es gehört oder wohin ich telefoniere.«
»Hören Sie, Finlay«, sagte ich. »Mir ist egal, wem es gehört. Mich interessiert nur, wem es nicht gehört. Verstehen Sie? Es gehört nicht mir. Also rufen Sie an, dann antwortet ein Mr. Unbekannt in Atlanta oder eine Mrs. Unbekannt in Charleston. Dann wissen Sie, daß es nicht mir gehört.«
Finlay starrte mich an. Trommelte mit seinen Fingern auf dem Schreibtisch. Sagte nichts.
»Sie wissen doch, wie man so was macht«, sagte ich. »Rufen Sie an, erzählen Sie irgendeinen Scheiß über einen technischen Fehler oder eine unbezahlte Rechnung, irgendeine Computersache, bringen Sie den Betreffenden dazu, seinen Namen und seine Adresse anzugeben. Los, Finlay, Sie wollen doch ein verdammter Detective sein.«
Er lehnte sich in die Richtung, wohin er die Nummer geschoben hatte. Hob das Papier mit seinen langen, braunen Fingern hoch. Drehte es um, so daß er die Nummer lesen konnte, und nahm den Hörer ab. Wählte die Nummer. Drückte auf den Lautsprecherknopf. Das Rufzeichen erfüllte den Raum. Kein klangvoller, langer Ton wie bei einem normalen Telefon. Sondern ein hoher, eindringlicher Elektrosound. Dann hörte er auf. Der Anruf wurde angenommen.
»Paul Hubble«, sagte eine Stimme. »Kann ich Ihnen helfen?«
Ein Südstaatenakzent. Selbstsicherer Ton. An Telefongespräche gewöhnt.
»Mr. Hubble?« sagte Finlay. Er blickte auf den Schreibtisch und schrieb den Namen auf. »Guten Tag. Hier ist die Telefongesellschaft, Abteilung Mobiltelefon. Der technische Leiter. Uns ist eine Störung unter Ihrer Nummer gemeldet worden.«
»Eine Störung?« fragte die Stimme. »Mir scheint, es ist alles in Ordnung. Ich habe keine Störung gemeldet.«
»Vielleicht können Sie ja anrufen«, sagte Finlay. »Möglicherweise könnte es aber ein Problem sein, Sie zu erreichen, Sir. Ich habe gerade das Signalstärkenmeßgerät angeschlossen, und die Anzeige ist tatsächlich etwas niedrig, Sir.«
»Ich kann Sie gut hören«, sagte die Stimme.
»Hallo?« sagte Finlay. »Sie werden schwächer, Mr. Hubble. Hallo? Es wäre hilfreich, wenn Sie mir genau sagen könnten, wo Sie gerade sind, wissen Sie, genau jetzt, in welcher Position zu unserer Sendestation.«
»Ich bin zu Hause«, sagte die Stimme.
»Okay«, sagte Finlay. Er nahm wieder seinen Stift. »Können Sie mir bitte mal eben Ihre genaue Adresse geben?«
»Haben Sie meine Adresse nicht?« fragte die Stimme. Im scherzhaften Tonfall, von Mann zu Mann sozusagen. »Sie schaffen es aber doch anscheinend, mir jeden Monat eine Rechnung zu schicken.«
Finlay starrte zu mir herüber. Ich lächelte ihn an. Er zog ein Gesicht. »Ich bin hier in der technischen Abteilung, Sir«, sagte er. Auch im scherzhaften Ton. Zwei nette Jungs im Kampf gegen die Technik. »Die Kundeninformationen sind in einer anderen Abteilung. Ich könnte in die Datei gehen, aber das würde eine Minute dauern, Sie wissen ja, wie das ist. Also, Sir, Sie müssen ja eh mit mir sprechen, während das Meßgerät angeschlossen ist, damit wir eine exakte Anzeige über Ihre Signalstärke bekommen. Wenn Sie also kein Lieblingsgedicht oder so etwas haben, dann können Sie doch genausogut Ihre Adresse rezitieren.«
Aus dem Lautsprecher ertönte blechern das Lachen des Mannes namens Hubble.
»Okay, also los, Test, Test«, sagte seine Stimme. »Hier spricht Paul Hubble, von zu Hause aus, die Adresse ist Beckman Drive fünfundzwanzig. Ich wiederhole: Beckman Drive fünfundzwanzig, hier im guten, alten Margrave, M-A-R-G-R-A-V-E, im Staate Georgia, USA. Wie steht es mit meiner Signalstärke?«
Finlay
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