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Jack Reacher 01: Größenwahn

Jack Reacher 01: Größenwahn

Titel: Jack Reacher 01: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Finlays Alter. Mit weißem Kittel. Er sah aus wie ein Mann, auf dessen Urteil man nicht allzuviel geben würde. Er stellte sich nicht vor. Nahm einfach an, wir wüßten alle, wer er war und was er hier machte.
    »Tja, Leute, was kann ich euch erzählen?«
    Er blickte uns drei nacheinander an. Wartete. Wir blickten zurück.
    »War es derselbe Vorfall?« fragte Finlay. Sein volltönender Harvard-Akzent wirkte in dem schäbigen Büro fehl am Platz. Der Mediziner sah ihn achselzuckend an.
    »Ich habe die zweite Leiche erst seit einer Stunde«, sagte er. »Doch ja, ich würde sagen, es war derselbe Vorfall. Es ist fast mit Sicherheit dieselbe Waffe. Sieht in beiden Fällen aus wie ein Kleinkaliber mit Teilmantelgeschossen. Die Kugeln waren langsam, sieht so aus, als hätte die Waffe einen Schalldämpfer gehabt.«
    »Kleines Kaliber?« warf ich ein. »Wie klein?«
    Der Arzt wandte mir seinen müden Blick zu.
    »Ich bin kein Waffenexperte, aber ich würde sagen, eine Zweiundzwanziger. Sieht für mich danach aus. Ich würde sagen, wir haben es mit Teilmantelgeschossen für ein Kaliber Zweiundzwanzig zu tun. Nehmen Sie zum Beispiel den Kopf des ersten Mannes. Zwei kleine, splittrige Eintrittswunden und zwei klaffende Austrittswunden, typisch für kleine Teilmantelgeschosse.«
    Ich nickte. Solche Spuren sind typisch für ein Teilmantelgeschoß. Es tritt ein und zerschmettert beim Austritt alles. Verformt sich zu einem Tropfen Blei, etwa so groß wie ein 25-Cent-Stück, und zerreißt dadurch alles Gewebe, auf das es trifft. Verursacht dadurch ein großes Austrittsloch. Und ein Schalldämpfer macht bei einem netten, langsamen Teilmantelgeschoß Kaliber Zweiundzwanzig Sinn. Bei Hochgeschwindigkeitsgeschossen wäre es dagegen sinnlos, einen Schalldämpfer zu benutzen. Bei denen produziert die Kugel ihre eigene Überschallmündungsgeschwindigkeit wie ein kleines Kampfflugzeug auf Todeskurs.
    »Okay«, sagte ich. »Wurde der Mann dort getötet, wo man ihn fand?«
    »Ohne Zweifel, die Hypostase weist bei beiden Leichen eindeutig darauf hin.«
    Er sah mich an. Wollte, daß ich ihn fragte, was Hypostase sei. Ich wußte es, fühlte aber einen Anflug von Höflichkeit. Also sah ich ihn verwirrt an,
    »Postmortale Hypostase«, erklärte er. »Verfärbung der Haut, Wenn man stirbt, hört die Blutzirkulation auf, richtig? Das Herz schlägt nicht mehr. Ihr Blut gehorcht dem Gesetz der Schwerkraft. Es sammelt sich unten in Ihrem Körper, in den am tiefsten liegenden Blutgefäßen, normalerweise in den winzigen Kapillaren der Hautpartie auf dem Boden oder wo auch immer Sie liegen. Die roten Blutkörperchen sammeln sich zuerst an. Sie färben die Haut rot. Dann gerinnen sie, also ist die Farbe fixiert wie bei einem Foto. Nach ein paar Stunden sind die Verfärbungen dauerhaft. Die Verfärbungen auf der ersten Leiche entsprechen vollkommen ihrer Position auf dem Vorhof zum Lagerhaus. Der Mann wurde erschossen, fiel tot zu Boden, wurde in einer Art wahnsinniger Raserei ein paar Minuten lang durch die Gegend gekickt, dann lag er dort acht Stunden. Daran besteht kein Zweifel.«
    »Was sagen Sie zu der Mißhandlung?« fragte Finlay ihn.
    Der Doktor schüttelte den Kopf und zuckte die Schultern.
    »Ich habe so etwas noch nie gesehen«, sagte er. »Ein paarmal habe ich in Fachzeitschriften davon gelesen. Ist offensichtlich irgendwas Psychopathisches. Kann man nicht erklären. Für den Toten hat es keinen Unterschied gemacht. Hat ihm nicht weh getan, weil er schon tot war. Also muß es den Angreifer irgendwie befriedigt haben. Unglaubliche Wut, enorme Kraft. Die Verletzungen sind schwer.«
    »Was ist mit dem zweiten Mann?« fragte Finlay.
    »Er ist weggelaufen, wurde mit dem ersten Schuß aus nächster Nähe in den Rücken getroffen, aber nicht niedergestreckt, und rannte los. Dabei bekam er zwei weitere Kugeln verpaßt. Eine in den Nacken und die tödliche in den Oberschenkel. Die zerfetzte seine Oberschenkelarterie. Er schaffte es noch bis zur Zubringerbrücke zum Highway, dann fiel er hin und verblutete. Auch daran kein Zweifel. Wenn es Donnerstag nicht die ganze Nacht geregnet hätte, hätten Sie die Blutspur auf der Straße gesehen. Es müssen etwa fünf Liter Blut gewesen sein, denn sie waren nicht mehr im Körper des Mannes.«
    Wir schwiegen alle. Ich dachte daran, wie der zweite Mann verzweifelt über die Straße gelaufen war. Wie er versucht hatte, die Deckung zu erreichen, während die Kugeln in sein Fleisch schlugen. Wie er sich unter die

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