Jack Reacher 01: Größenwahn
achtundvierzig Stunden vorher getan hatten. Ich stieg aus und schloß mich ihnen in der Mittagshitze an. Wir blieben einen Moment lang stehen, dann zog Finlay die schwere Tür auf, und wir gingen hinein. Liefen durch den leeren Mannschaftsraum in das große Rosenholzbüro.
Finlay setzte sich an den Schreibtisch. Ich setzte mich in denselben Stuhl wie am Freitag. Roscoe holte sich einen Stuhl heran und stellte ihn direkt neben meinen. Finlay zog ruckend die Schreibtischschublade auf. Nahm den Kassettenrecorder heraus. Testete seiner Routine gemäß das Mikrophon mit dem Fingernagel. Dann saß er ruhig da und sah mich an.
»Das mit Ihrem Bruder tut mir sehr leid«, begann er.
Ich nickte. Sagte nichts.
»Ich fürchte, ich muß Ihnen jetzt einige unvermeidliche Fragen stellen.«
Ich nickte nur. Ich verstand seine Lage. Ich war schon oft in der gleichen gewesen.
»Wer ist sein nächster Angehöriger?«
»Ich, außer er hätte inzwischen geheiratet, ohne mir das zu sagen.«
»Können Sie sich das vorstellen?« fragte mich Finlay.
»Wir standen uns nicht sehr nahe, aber ich würde es bezweifeln.«
»Ihre Eltern sind tot?«
Ich nickte. Finlay nickte. Trug mich als nächsten Angehörigen ein.
»Wie war sein vollständiger Name?«
»Joe Reacher«, sagte ich. »Kein zweiter Vorname.«
»Ist das die Kurzform von Joseph?«
»Nein, er hieß nur Joe. So wie ich nur Jack heiße. Unser Vater mochte einfache Namen.«
»Okay«, sagte Finlay. »Älter oder jünger?«
»Älter.« Ich nannte ihm sein Geburtsdatum. »Also zwei Jahre älter als ich.«
»Dann war er achtunddreißig?«
Ich nickte. Baker hatte gesagt, das Opfer sei etwa vierzig gewesen. Vielleicht hatte sich Joe nicht gut gehalten.
»Haben Sie seine aktuelle Adresse?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Nein. Er lebte irgendwo in Washington, DC. Wie ich schon sagte, wir standen uns nicht sehr nahe.«
»Okay«, sagte Finlay wieder. »Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«
»Vor ungefähr zwanzig Minuten«, erwiderte ich. »Im Leichenschauhaus .«
Finlay nickte behutsam. »Und davor?«
»Vor sieben Jahren«, antwortete ich. »Bei der Beerdigung unserer Mutter.«
»Haben Sie ein Foto von ihm?«
»Sie haben doch meine persönlichen Sachen gesehen. Ich habe überhaupt kein Foto.«
Er nickte wieder. Schwieg. Er fand das Ganze schwierig.
»Können Sie mir eine Beschreibung von ihm geben?«
»Wie er aussah, bevor sein Gesicht weggeschossen wurde?«
»Vielleicht hilft uns das, wissen Sie«, sagte Finlay. »Wir müssen herausfinden, wer ihn gesehen hat, und wann und wo.«
Ich nickte.
»Ich schätze, er sah aus wie ich. Vielleicht ein, zwei Zentimeter größer, vielleicht fünf Kilo leichter.«
»Wie groß wäre das dann, ungefähr 1,95 m?« fragte er.
»Genau, und ungefähr hundert Kilo.«
Finlay notierte sich das.
»Und er rasierte sich den Kopf?«
»Nicht, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Da hatte er noch Haare auf dem Kopf wie jeder andere auch.«
»Vor sieben Jahren, richtig?«
Ich zuckte die Schultern.
»Vielleicht gingen ihm die Haare aus«, sagte ich. »Vielleicht war er zu eitel dazu.«
Finlay nickte.
»Was arbeitete er?«
»Das letzte, was ich hörte, war, daß er für das Finanzministerium arbeitete«, sagte ich. »Aber was genau, weiß ich nicht.«
»Was für eine Ausbildung hatte er? War er auch beim Militär?«
Ich nickte.
»Militärischer Geheimdienst. Er kündigte nach einer Weile, dann arbeitete er für die Regierung.«
»Er schrieb Ihnen, daß er mal hier war, richtig?«
»Er erwähnte die Sache mit Blind Blake. Sagte aber nicht, warum er hier war. Aber das läßt sich bestimmt leicht herausfinden.«
Finlay nickte.
»Wir werden morgen früh als erstes ein paar Anrufe machen«, sagte er. »Aber Sie sind auf jeden Fall sicher, daß Sie keine Ahnung haben, warum er hierhergekommen sein könnte?«
Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte keine Ahnung, was er hier gewollt hatte. Aber ich wußte, daß Hubble es wußte. Joe war der große Ermittler mit dem kahlgeschorenen Kopf und dem Codenamen. Hubble hatte ihn hierhergeholt, und Hubble wußte genau, warum. Ich mußte also als erstes Hubble finden und ihn ausfragen.
»Haben Sie nicht gesagt, Sie könnten Hubble nicht finden?« fragte ich Finlay.
»Er ist nirgendwo aufzutreiben«, erwiderte er. »Er ist nicht in seinem Haus am Beckman Drive, und niemand hat ihn in der Stadt gesehen. Hubble weiß über all das Bescheid, nicht wahr?«
Ich zuckte nur die Achseln. Ich
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