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Jack Reacher 01: Größenwahn

Jack Reacher 01: Größenwahn

Titel: Jack Reacher 01: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Stadt. Ich lehnte mich an seine warme Seite aus Metall und dachte nach.
    Die USA sind ein gigantisch großes Land. Millionen von Quadratmeter. Die Heimat von dreihundert Millionen Einwohnern. Ich hatte Joe seit sieben Jahren nicht mehr gesehen, und er hatte mich nicht gesehen, aber wir waren in genau demselben winzigen Ort gelandet, in einem Zeitabstand von acht Stunden. Ich war fünfzig Meter von der Stelle entfernt entlanggelaufen, wo seine Leiche lag. Das war ein ziemlich großer Zufall. Fast schon unglaublich. Also tat Finlay mir einen großen Gefallen, wenn er es wie einen Zufall behandelte. Er mußte eher versuchen, mein Alibi anzugreifen. Vielleicht tat er das auch schon. Vielleicht telefonierte er bereits mit Tampa und überprüfte alles noch einmal.
    Aber er würde nichts finden, denn es war ein Zufall. Es hatte keinen Sinn, das immer und immer wieder durchzugehen. Ich war nur wegen einer verrückten, spontanen Eingebung in Margrave. Wenn ich nur eine Minute länger auf die Landkarte des Mannes geblickt hätte, wäre der Bus schon an der Ausfahrt vorbeigewesen, und ich hätte mich nicht an Margrave erinnert. Ich wäre nach Atlanta gefahren und hätte nie etwas über Joe gehört. Es hätte noch weitere sieben Jahre dauern können, bevor die Nachricht seines Todes mich erreicht hätte. Also war es sinnlos, sich über den Zufall aufzuregen. Es galt nur zu entscheiden, was ich damit anfangen sollte.
    Ich war ungefähr vier Jahre alt gewesen, als ich die Sache mit der Loyalität begriff. Plötzlich war ich davon überzeugt, daß ich auf Joe genauso aufpassen mußte, wie er auf mich aufpaßte. Nach einer Weile wurde das zu meiner zweiten Natur. Ich hatte nur im Kopf, nach ihm Ausschau zu halten und zu prüfen, ob alles in Ordnung war. Etliche Male kam ich auf einen neuen Schulhof und sah einen Haufen Kinder, die dem großen, mageren Neuling auf den Zahn fühlten. Ich trabte hinüber, zog sie weg und schlug ein paar Köpfe zusammen. Dann ging ich zurück zu meinen Kumpels und spielte Ball oder was wir sonst gerade taten. Pflicht vollbracht, wie eine Routine. Es war eine Routine, die zwölf Jahre dauerte, von meiner Erkenntnis mit vier Jahren bis zu dem Zeitpunkt, als Joe schließlich von zu Hause wegging. Zwölf Jahre Routine müssen schwache Spuren in meinem Kopf hinterlassen haben, denn seitdem hörte ich immer das leise Echo der Frage: Wo ist Joe? Als er dann erwachsen und fort war, war es nicht mehr wichtig, das zu wissen. Aber ich war mir immer des schwachen Echos bewußt. Tief in meinem Inneren war ich mir immer bewußt, daß ich mich für ihn einsetzen mußte, wenn er mich brauchte.
    Aber jetzt war er tot. Er war nicht mehr irgendwo. Ich lehnte mich gegen die Statue vor dem Polizeirevier und hörte, wie die leise Stimme in meinem Kopf sagte: Du mußt etwas unternehmen.
    Die Tür des Reviers ging auf. Ich blinzelte durch die Hitze und sah Roscoe herauskommen. Die Sonne stand hinter ihr und ließ ihr Haar wie einen Glorienschein leuchten. Sie blickte sich suchend um und entdeckte mich an der Statue in der Mitte der Rasenfläche. Kam zu mir herüber. Ich stieß mich von der warmen Bronze ab.
    »Alles in Ordnung?« fragte sie mich.
    »Mir geht's gut.«
    »Sicher?«
    »Ich breche bestimmt nicht zusammen. Vielleicht sollte ich das, aber ich tue es nicht. Um ehrlich zu sein, fühle ich mich nur benommen.«
    Das stimmte. Ich empfand nicht viel. Vielleicht war das eine seltsame Reaktion, aber so fühlte ich mich eben. Sinnlos, das zu leugnen.
    »Okay«, sagte Roscoe. »Kann ich Sie irgendwo hinbringen?«
    Vielleicht hatte Finlay sie geschickt, um mich nicht aus den Augen zu verlieren, aber ich hatte nichts dagegen einzuwenden. Sie stand da in der Sonne und sah großartig aus. Ich merkte, daß ich sie jedesmal mehr mochte, wenn ich sie ansah.
    »Haben Sie Lust, mir zu zeigen, wo Hubble wohnt?« fragte ich sie.
    Ich konnte sehen, wie sie darüber nachdachte.
    »Sollten wir das nicht Finlay überlassen?«
    »Ich will nur nachsehen, ob er schon zu Hause ist. Ich werde ihn nicht auffressen. Wenn er da ist, rufen wir Finlay sofort an, okay?«
    »Okay«, sagte sie. Sie zuckte die Schultern und lächelte. »Fahren wir.«
    Wir gingen zusammen zurück über den Rasen und stiegen in ihren Chevy. Sie ließ ihn an und fuhr vom Parkplatz. Bog nach links ab und glitt südwärts durch die perfekte kleine Stadt. Es war ein prächtiger Septembertag. Die strahlende Sonne machte aus der Stadt ein Fantasiegebilde. Die

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