Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht
einem Mann, der ein Geldstück wirft. Bei Kopf bekommt man einen Mann, der den Wert von Kooperation kennt. Unter Umständen hat’s in irgendeiner seiner Einheiten mal Schwierigkeiten gegeben, und vielleicht haben die MPs sie umsichtig und effizient aus der Welt geschafft. Dann ist er von ihrer Nützlichkeit überzeugt und ihr Freund. Aber bei Zahl bekommt man einen Kerl, der unter Umständen für seine Schwierigkeiten selbst verantwortlich ist. Vielleicht hat er seine Einheit mehr schlecht als recht geführt, und vielleicht haben die MPs ihm das offen gesagt. Dann hat man von ihm nichts als Ärger zu erwarten.
Die Maschine rollte zum Flugsteig. Die Geschäftsleute ließen Jodie durch den Gang vorausgehen. Entweder altmodische texanische Höflichkeit oder Voyeurismus. Er folgte Jodie ins Terminal. Als er neben sie trat und seinen Arm um ihre Schultern legte, wusste er, dass ein Dutzend Blicke auf seinen Rücken gerichtet waren.
»Du beanspruchst wieder, was dir gehört?«, fragte sie.
»Hast du sie auch bemerkt?«, lautete seine Gegenfrage.
Jodie schlang den Arm um seine Taille und zog ihn beim Weitergehen enger an sich.
»Sie waren kaum zu übersehen. Es wäre bestimmt leicht gewesen, sich für heute Abend mit einem von ihnen zu verabreden.«
»Du hättest sie mit einem Stock abwehren müssen.«
»Das liegt an dem Kleid. Ich hätte vielleicht eine Hose anziehen sollen, aber ich dachte, hier unten seien die Leute eher konventionell.«
»Du könntest eine sowjetische Panzerkombi tragen - grau-grün und dick wattiert -, und sie würden dir trotzdem nachstarren.«
Jodie kicherte. »Ich weiß, wie sowjetische Panzerfahrer aussehen. Dad hat mir Fotos gezeigt. Hundert Kilo, Tätowierungen, Pfeife im Mund - und das waren die Frauen.«
In dem vollklimatisierten Terminal war es fast zu kühl, aber als sie auf dem Weg zum Taxistand das Gebäude verließen, stieg die Temperatur schlagartig um mehr als fünfzehn Grad an. An diesem schwülwarmen Junitag in Texas herrschten kurz nach zehn Uhr morgens schon über fünfunddreißig Grad Hitze.
»Wow!«, sagte Jodie. »Vielleicht war das mit dem Kleid doch keine so schlechte Idee.«
Sie standen im Schatten einer Überführung, aber außerhalb dieses Bereichs war das Sonnenlicht schmerzhaft grell. Der Beton flirrte. Jodie zog eine Sonnenbrille aus ihrer Reisetasche und setzte sie auf. Der erste Wagen am Taxistand war ein neuer Caprice mit voll aufgedrehter Klimaanlage und am Rückspiegel baumelnden religiösen Artefakten. Die Fahrt dauerte vierzig Minuten.
Fort Wolters war ein großer Militärstützpunkt, mitten im Nichts gelegen, mit niedrigen, eleganten Gebäuden und gärtnerisch gestalteten Parkanlagen - sauber und ordentlich, wie es nur die Army konnte. Der lange, hohe Maschendrahtzaun, der das Gelände umgab, war straff und gerade, und an seinem Fuß wucherte nirgends Unkraut. Der innere Randstein der Straße war weiß gestrichen. Jenseits des Zauns führten graue Betonstraßen zu den einzelnen Gebäuden. Ihre glänzend geputzten Fenster blitzten in der Sonne. Als das Taxi um eine Kurve bog, wurde eine Fläche von der Größe eines Stadiums sichtbar, auf der in ordentlichen Reihen Hubschrauber standen. Zwischen ihnen bewegten sich kleine Gruppen von Flugschülern.
Das Haupttor war von der Straße zurückversetzt und wurde auf beiden Seiten von hohen weißen Fahnenmasten flankiert. Die Flaggen hingen schlaff herab. Ära Tor stand ein niedriges quadratisches Wachgebäude, vor dem eine rotweiß gestreifte Schranke die Einfahrt versperrte. Das kleine Gebäude war oberhalb des Sockels verglast, sodass Reacher die Militärpolizisten sehen konnte, die das herankommende Taxi beobachteten. Zu ihrer Montur gehörte auch der vorschriftsmäßige weiße Helm. Reacher lächelte zufrieden. Hier würde es keine Schwierigkeiten geben.
Das Taxi setzte sie an der Wendeschleife vor dem Tor ab und fuhr davon. Sie traten aus dem Sonnenglast in den Schatten unter dem vorspringenden Dach des Wachgebäudes. Ein Sergeant der Militärpolizei öffnete ein Schiebefenster und sah sie fragend an, Reacher fühlte den Schwall kalter Luft, der ihm entgegenschlug.
»Wir möchten General DeWitt sprechen«, sagte er. »Glauben Sie, dass das möglich ist, Sergeant?«
Der Uniformierte musterte ihn prüfend. »Hängt davon ab, wer Sie sind, schätze ich.«
Reacher erklärte ihm, wer er jetzt war und was er früher gewesen war, stellte ihm Jodie vor und erzählte ihm von ihrem Vater. Kurz darauf
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