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Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht

Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht

Titel: Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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dafür gesorgt, dass sie weiterging. Das stand außer Zweifel. Dann war die Karriere zu Ende gewesen, und das unstete Wanderleben hatte begonnen, das jetzt ebenfalls beendet war - wieder durch einen Impuls von Leon. Nicht nur durch Jodies Einfluss, sondern auch durch Leons Testament. Der alte Knabe hatte ihm sein Haus vemacht, und dieses Vermächtnis wartete jetzt nur darauf, ihm Fesseln anzulegen. Denn das vage Versprechen genügte bereits. Zuvor war ihm die Möglichkeit, eines Tages irgendwo sesshaft zu werden, stets nur theoretisch erschienen. Ein fernes Land, von dem er wusste, dass er es niemals betreten würde. Die lange Reise dorthin war zu schwierig, der Preis zu hoch. Aber Leons Vermächtnis hatte ihn an die Grenze eines fernen Landes versetzt. Er konnte sehen, welches Leben ihn auf der anderen Seite erwartete, und es erschien ihm verrückt, sich abzuwenden und die weite Strecke zu seiner bisherigen Existenz zurückzugehen. Damit hätte er sich bewusst für ein zielloses Wanderleben entschieden, das dadurch einen ganz anderen Stellenwert erhalten hätte. Der einzige Sinn eines Wanderlebens lag in der Akzeptanz der Tatsache, dass es keine Alternativen dazu gab. Das Vorhandensein von Alternativen ruinierte alles. Und Leon hatte ihm eine Alternative hinterlassen. Er musste gelächelt haben, als er diese Verfügung geschrieben und vielleicht gedacht hatte: Mal sehen, wie du dich da rauswindest, Reacher.
    Er starrte die Laptops, die Mappen und Ordner an und erschauerte innerlich. Wie sollte er die Grenze jenes fernen Landes überschreiten, ohne mit all diesem Zeug konfrontiert zu werden? Mit Anzügen und Krawatten und batteriebetriebenen Geräten. Mit Aktenkoffern aus feinstem Leder und Memos aus der Firmenzentrale? Er geriet in Panik, bekam kaum noch Luft, war plötzlich wie gelähmt. Er erinnerte sich an einen kaum ein Jahr zurückliegenden Tag, an dem er an einer Kreuzung in der Nähe einer ihm unbekannten Kleinstadt in einem noch nie von ihm besuchten Bundesstaat aus einem Lastwagen gestiegen war. Er hatte dem Fahrer zugewinkt, seine Hände tief in den Hosentaschen vergraben und war losmarschiert - tausende Kilometer hinter sich, tausende Kilometer vor sich. Die Sonne schien, seine Stiefel wirbelten bei jedem Schritt Staub auf, und Reacher war glücklich darüber gewesen, allein zu sein und absolut keine Vorstellung davon zu haben, wohin er unterwegs war.
    Aber er dachte auch an einen Tag neun Monate später. An diesem Tag hatte er festgestellt, dass ihm das Geld ausging, und angestrengt nachgedacht. Selbst die billigsten Motels und Schnellrestaurants kosteten ein paar Dollar. Er hatte zuerst den Job in Key West angenommen, um durch ein paar Wochen Arbeit seine Kasse aufzubessern, und dann auch den Abendjob - und war mit beiden ausgelastet gewesen, bis Costello drei Monate später aufkreuzte. Tatsache war also, dass sein unstetes Wanderleben bereits vorüber war. Er arbeitete schon regelmäßig. Das ließ sich nicht leugnen. Jetzt ging es nur noch darum, wo und wie viel und für wen. Er musste unwillkürlich grinsen. Wie Prostitution, dachte er. Es gibt kein Zurück mehr. Er entspannte sich etwas und ging durch die Businessklasse nach vorn. Der Mann mit dem gestreiften Baumwollhemd war wach und nickte grüßend. Reacher erwiderte seinen Gruß und ging zur Toilette. Als er zurückkam, war Jodie aufgewacht. Sie setzte sich gerade hin und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar.
    »Hi, Reacher«, sagte sie.
    »Hi, Jodie.«
    Er beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie. Ließ sich in seinen Sitz fallen und stellte die Rückenlehne gerade.
    »Na, wie fühlst du dich?«, fragte er.
    »Nicht schlecht. Überhaupt nicht schlecht. Viel besser als erwartet. Wo bist du gewesen?«
    »Ich habe einen Spaziergang gemacht«, antwortete er. »Bin nach hinten gegangen, um zu sehen, wie die andere Hälfte so lebt.«
    »Nein, du hast nachgedacht. Das ist mir schon vor fünfzehn Jahren an dir aufgefallen. Du läufst immer herum, wenn du über etwas nachdenkst.«
    »Tu ich das?«, fragte er überrascht. »Das ist mir gar nicht bewusst.«
    »Natürlich tust du das«, erwiderte sie. »Ich weiß das schon lange. Schließlich war ich in dich verliebt und hab dich ganz genau beobachtet, weißt du.«
    »Was ist dir sonst noch an mir aufgefallen?«
    »Du ballst die linke Hand zur Faust, wenn du wütend oder nervös bist. Aber die rechte bleibt entspannt, was vermutlich auf deine Schießausbildung zurückzuführen ist. Langweilst du dich,

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