Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht
gestikulierte wild. Hobie drehte den Haken etwas zur Seite, wodurch sich der Druck auf den Kehlkopf verminderte. Aber dafür lag die Hakenspitze nun an der weichen Stelle unter seinem Ohr.
»Wo, zum Teufel, kommen die her?«, wiederholte er.
Der Kerl wusste, dass bei dieser Lage des Hakens jede zusätzlich ausgeübte Kraft die Spitze in das weiche Fleisch hinter seinem Kiefergelenk treiben würde. Er verstand nicht viel von Anatomie, aber er war sich über den Ernst seiner Lage im Klaren.
»Ich sag’s Ihnen«, keuchte er. »Ich sag’s Ihnen.«
Hobie ließ den Haken, wo er war, und ruckte gelegentlich daran, wenn der Kerl zögerte, sodass die ganze Wahrheit in weniger als drei Minuten von A bis Z erzählt war.
»Ihr habt versagt«, stellte Hobie fest.
»Ja, das haben wir«, ächzte der Kerl. »Aber das war seine Schuld. Er war hinter der Fliegengittertür eingeklemmt. Dort war er wertlos.«
Hobie riss an dem Haken.
»Im Gegensatz zu dir? Er ist wertlos, und du bist nützlich, was?«
»Alles war seine Schuld«, keuchte der andere wieder. »Ich bin weiterhin nützlich.«
»Das wirst du mir beweisen müssen.«
»Wie?«, ächzte der Kerl. »Bitte, wie? Sie brauchen’s mir nur zu sagen.«
»Ganz einfach. Du kannst etwas für mich tun.«
»Ja«, keuchte der Mann. »Ja, alles, bitte.«
»Bring mir Mrs. Jacob!«, kreischte Hobie.
»Ja!«, antwortete der Kerl ebenfalls kreischend.
»Und mach nicht wieder Scheiß!«, kreischte Hobie weiter.
»Nein«, ächzte der Kerl. »Nein, das tun wir nicht, versprochen!«
Hobie ruckte wieder an seinem Haken - zweimal, im Takt zu seinen Worten
»Nicht wir. Nur du. Weil du noch was anderes für mich tun sollst.«
»Was?«, keuchte sein Opfer. »Ja, was? Alles!«
»Du liquidierst deinen wertlosen Partner«, flüsterte Hobie. »Heute Nacht auf dem Boot.«
Der Kerl nickte so nachdrücklich, wie der Haken um seine Kehle es zuließ. Hobie beugte sich etwas nach vorn und nahm den Haken weg. Der Kerl sackte zur Seite, keuchte und würgte krampfhaft und übergab sich aufs Sofa.
»Und bring mir seine rechte Hand«, flüsterte Hobie. »Als Beweis.«
Sie stellten fest, dass die Herzklinik, in der Leon Patient gewesen war, keine selbstständige Einrichtung, sondern nur ein Teilbereich einer riesigen Privatklinik war, fürs gesamte südliche Putnam County zuständig. In einer Parklandschaft stand ein zehngeschossiger weißer Bau, der von Arztpraxen aller Fachrichtungen umgeben war. Schmale Stichstraßen schlängelten sich durch den gepflegten Park und endeten auf kleinen Plätzen, die von Pavillons für Ärzte und Zahnärzte umgeben waren. Patienten, die stationär behandelt werden mussten, wurden in Belegbetten im Hauptgebäude untergebracht. So existierte die kardiologische Fachklinik eigentlich nur dem Namen nach und umfasste verschiedene Abteilungen mit eigenen Ärzten, je nachdem, wie krank der Patient war. Leons Korrespondenz zeigte, dass er sich in mehreren Abteilungen aufgehalten hatte: anfangs auf der Intensivstation, dann in der Rehabilitation, danach in ambulanter Behandlung bei einer Kardiologin und zuletzt wieder auf der Intensivstation, auf der er gestorben war.
Der Name der Kardiologin war der einzige konstante Faktor in all den Unterlagen. Reacher hatte sich Dr. McBannerman als freundlichen alten Gentleman vorgestellt, weißhaarig, gebildet, klug und sympathisch, vielleicht von schottischen Urgroßeltern abstammend, bis Jodie ihm erklärte, Dr. McBannerman sei eine Ärztin, eine Mittdreißigerin aus Baltimore, mit der sie schon mehrmals gesprochen habe. Jetzt lenkte er Jodies Geländewagen über die schmalen Stichstraßen, während sie rechts und links nach Dr. McBannermans Praxis Ausschau hielt. Sie erkannte den Pavillon am Ende einer Sackgasse: ein ebenerdiger, weiß abgesetzter Klinkerbau. Zwischen fünf oder sechs davor stehenden Wagen war ein Platz frei, auf dem Reacher rückwärts einparkte.
Die Sprechstundenhilfe war eine dicke alte Wichtigtuerin, die Jodie flüsternd ihr Beileid aussprach. Sie führte die beiden in Dr. McBannermans zweites Sprechzimmer, was ihnen giftige Blicke der Patienten im Wartebereich einbrachte. Das Sprechzimmer war ein nüchterner, steriler und stiller Raum, mit einem anscheinend selten benutzten Untersuchungstisch und einem großen farbigen Schnittbild des menschlichen Herzens an der Wand hinter dem Schreibtisch. Jodie starrte es an, als frage sie sich: Welches Teil hat also schließlich versagt? Reacher spürte sein eigenes
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