Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht
teuer, aber für sie unerschwinglich. Leon, der sich gerade einbildete, sie müsse Selbstdisziplin lernen, war nicht bereit, sie ihr zu kaufen. Also hatte Reacher es getan. Nicht zum Geburtstag oder dergleichen, sondern nur weil er Jodie gern hatte und sie sich diese Kette wünschte.
»Ich dachte, ich müsste vor Glück platzen«, sagte sie. »Ich hab sie noch immer, trage sie noch immer. Also lass mich sie dir zurückzahlen, okay?«
Er dachte darüber nach. Nickte.
»Okay«, sagte er.
Sie konnte es sich leisten. Sie war Anwältin. Verdiente bestimmt ein Vermögen. Und das war ein fairer Tausch, wenn man die Kosten in Bezug zum Einkommen setzte und fünfzehn Jahre Inflation berücksichtigte.
»Okay«, sagte er nochmals. »Danke, Jodie.«
»Du brauchst auch Socken und so, stimmt’s?«
Sie suchten ein Paar khakifarbene Socken und weiße Boxershorts aus. Dann ging Jodie an die Kasse und bezahlte alles mit einer goldenen Karte. Reacher verschwand mit den Sachen in einer Umkleidekabine, riss die Preisschilder ab und zog sich um. Er steckte das Geld in eine Tasche der neuen Hose und warf die alten Klamotten in einen Abfalleimer. Das neue Zeug war noch ein bisschen steif, aber der Spiegel zeigte ihm, dass es ziemlich gut zu seiner Sonnenbräune passte. Er trat wieder aus der Kabine.
»Hübsch«, sagte Jodie. »Jetzt zur Apotheke.«
Er erstand einen Rasierer und eine Dose Rasierschaum, eine Zahnbürste und Zahncreme. Und eine kleine Tube Brandsalbe. Zahlte alles selbst und klemmte es sich in einer braunen Papiertüte unter den Arm. Auf dem Weg zur Apotheke waren sie an einem Steakrestaurant vorbeigekommen, aus dem es appetitlich duftete.
»Komm, gehen wir statt ins Cafe lieber zum Essen«, schlug er vor. »Ich lade dich ein.«
»Okay«, sagte sie und hakte sich wieder unter.
Das Abendessen für zwei Personen kostete so viel wie das neue Hemd, was er nicht zu teuer fand. Sie ließen sich bei Nachtisch und Kaffee Zeit, und als sie aus dem Restaurant kamen, schlossen einige der kleineren Geschäfte bereits.
»Okay, nach Hause«, sagte er. »Und ab jetzt verhalten wir uns wirklich vorsichtig.«
Sie gingen durchs Kaufhaus. Reacher ließ Jodie in der Nähe der Tür aus Messing und Glas warten, während er in die Garage vorausging. Dass ihnen hier jemand auflauerte, war unwahrscheinlich, aber immerhin möglich. Sie gingen zu dem Bravada, wo Jodie sich wieder ans Steuer setzte. Er stieg neben ihr ein.
»Wie würdest du normalerweise zurückfahren?«
»Von hier aus? Über den FDR Drive.«
»Gut«, sagte er, »fahr in Richtung LaGuardia, dann kommen wir über Brooklyn rein. Über die Brooklyn Bridge.«
Sie hob die Augenbrauen. »Ist das dein Ernst? Willst du den Touristen spielen?«
»Regel Nummer eins«, sagte er. »Voraussehbare Dinge sind gefährlich. Gibt’s eine Route, die du normalerweise fahren würdest, nehmen wir heute eine andere.«
»Im Ernst?«
»Allerdings. Schließlich habe ich früher von Personenschutz für VIPs gelebt.«
»Ich bin jetzt eine VIP?«
»Allerdings«, wiederholte er.
Eine Stunde später war es bereits Nacht, die beste Zeit für eine Fahrt über die Brooklyn Bridge. Reacher kam sich tatsächlich wie ein Tourist vor, als sie die bogenförmige Rampe hinauffuhren, über den erhöhten Mittelteil der Brücke rollten und plötzlich Lower Manhattan mit seinen Millionen Lichtern vor sich hatten. Eine der größten Sehenswürdigkeiten der Welt, fand er - und er hatte schon viele gesehen.
»Fahr ein paar Blocks weit nach Norden«, sagte er. »Wir holen etwas weiter aus. Falls uns jemand auflauert, rechnet er damit, dass wir auf dem kürzesten Weg zurückkommen.«
Sie fuhr rechts ab und auf der Lafayette Street nach Norden. Bog zweimal links ab und war nun auf dem Broadway nach Süden unterwegs. Die Ampel an der Leonard Street stand auf Rot. Reacher suchte den im Neonlicht vor ihnen liegenden Broadway ab.
»Drei Blocks«, sagte Jodie.
»Wo parkst du sonst?«
»Tiefgarage unter dem Gebäude.«
»Okay, dann biegst du eine Straße vorher ab«, sagte er. »Ich sehe mich dort um. Du kommst wieder vorbei und sammelst mich auf. Warte ich nicht auf dem Gehsteig, fährst du zu den Cops.«
Sie bog nach rechts in die Thomas Street ein, hielt dort und ließ ihn aussteigen. Reacher schlug mit der flachen Hand leicht aufs Wagendach, und sie fuhr weiter. Er ging um die Ecke und fand das Gebäude, in dem sie wohnte. Es war ein großes quadratisches Haus mit renoviertem Eingangsbereich, schwerer
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