Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht
alles in die Hand nahm. Und genau das würde er tun.
Die Ampel zeigte Grün. Der erste Wagen fuhr an, dann der zweite. Dann der dritte. Reacher gab langsam Gas. Achtete auf ausreichend Abstand, bevor er nach rechts sah. Wo waren sie? Die Querstraße war schmal. Nur zwei Spuren, auf denen Autos vor der Ampel warteten. Kein in der rechten Spur geparktes Fahrzeug. Sie waren nicht da. Er fuhr langsam über die Kreuzung und blickte immer wieder nach rechts. Dort stand niemand. Er atmete aus, entspannte sich und schaute wieder nach vorn. Dann ein gewaltiger metallischer Knall. Ein ohrenbetäubend lauter Schlag von hinten. Zerberstendes Blech, sofortige heftige Beschleunigung. Der Bravada schoss vorwärts, rammte den Wagen vor ihnen und wurde ruckartig abgebremst. Die Airbags explodierten. Er sah, wie Jodie auf dem Beifahrersitz erst nach vorn geschleudert wurde, bevor der Sicherheitsgurt ihren Oberkörper arretierte, während ihr Kopf weiter nach vorn flog. Dann prallte er von dem Airbag ab, wurde zurückgeworfen und knallte mit voller Wucht an die Kopfstütze. Ihm fiel auf, dass er ihr Gesicht neben sich weiterhin scharf sah, während er das Wageninnere verschwommen wahrnahm, weil sein Kopf genau die gleichen Bewegungen wie ihrer machte.
Der zweifache Aufprall hatte ihm das Lenkrad aus den Händen gerissen. Vor ihm fiel sein Airbag in sich zusammen. Er schaffte es, einen Blick in den Rückspiegel zu werfen, und sah eine riesige schwarze Motorhaube, die sich ins Heck des Bravadas gebohrt hatte. Und den verbogenen oberen Rand eines glänzend verchromten Kühlergrills. Irgendein klobiger Geländewagen. Hinter der getönten Windschutzscheibe war der Fahrer zu sehen. Niemand, den er kannte. Die nachfolgenden Autos hupten, während andere auf die linke Spur wechselten und an der Unfallstelle vorüberfuhren. Gesichter wandten sich ihnen zu, starrten sie neugierig an. Von irgendwoher war ein lautes Zischen zu hören. Vielleicht Dampf aus einem geplatzten Kühler oder bloß ein Klingeln in seinen Ohren als Folge des gewaltigen Knalls. Der Kerl hinter ihm kletterte aus seinem Geländewagen. Hob seine Hände, als wolle er sich entschuldigen, und machte ein besorgtes, ängstliches Gesicht. Er kam nach vorn auf Reachers Fenster zu und begutachtete im Vorbeigehen das demolierte Heck des Bravadas. Aus der Limousine vor ihnen stieg eine Frau, die benommen und wütend aussah. Um sie herum geriet der Verkehr ins Stocken. Die Luft flimmerte von der Wärme überhitzter Motoren und dröhnte von einem vielstimmigen Hupkonzert. Jodie saß aufrecht auf dem Beifahrersitz und tastete mit den Fingern einer Hand vorsichtig ihren Nacken ab.
»Alles in Ordnung?«, fragte er.
Sie dachte einen Augenblick nach, dann nickte sie.
»Nichts passiert«, sagte sie. »Dir?«
»Auch nichts.«
Sie stocherte fasziniert mit einem Zeigefinger in dem zusammengefallenen Airbag herum.
»Diese Dinger funktionieren tatsächlich, weißt du das?«
»Ich hatte noch nie gesehen, wie sich einer aufbläst«, stellte er fest.
»Ich auch nicht.«
Dann klopfte jemand ans Fahrerfenster. Der Mann, der auf sie aufgefahren war, stand dort und hämmerte mit den Fingerknöcheln an die Scheibe. Reacher starrte ihn an. Der Kerl bedeutete ihm, er solle das Fenster öffnen, als habe er ihm dringend etwas zu sagen.
»Scheiße!«, brüllte Reacher.
Er trat das Gaspedal durch. Der Bravada fuhr an und schob die demolierte Limousine der Frau vor sich her. Während Metall kreischte, schaffte er nach links schleudernd etwa einen Meter.
»Verdammt, was machst du?«, schrie Jodie.
Der Kerl hatte eine Hand auf dem Türgriff. Mit der anderen griff er in seine Jackentasche.
»Runter mit dir!«, schrie Reacher.
Er stellte den Automatikhebel auf R, schoss mit aufheulendem Motor den einen Meter wieder zurück und knallte in den großen Geländewagen hinter ihnen. Dieser neue Aufprall brachte einen weiteren Viertelmeter. Reacher wählte D, schlug das Lenkrad links ein und gab Gas. Rammte die linke Heckseite der Limousine in einem weiteren Regen aus Glassplittern. Der Verkehr hinter ihm wich erneut hupend aus. Bei einem Blick nach rechts erkannte er einen der Kerle, die er in Key West und Garrison gesehen hatte, mit einer Hand am Griff von Jodies Tür. Er gab Vollgas, stieß mit dem Bravada zurück und schlug dabei wieder das Lenkrad ein. Der Kerl hielt eisern den Türgriff fest, wurde am Arm mitgerissen und verlor durch diese ruckartige Bewegung den Boden unter den Füßen. Reacher
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