Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht
Beste in der Wall Street, ganz ohne Zweifel.«
Er lächelte. Sie war Leons Tochter, unverkennbar.
Die Aufzugtüren öffneten sich. Ein leeres Foyer, die ins Schloss fallende Eingangstür, eine dicke Frau, die langsam die Stufen zum Gehsteig hinunterwatschelte.
»Autoschlüssel?«, fragte er.
Jodie hielt sie in der Hand. Ein großer Schlüsselbund an einem Messingring.
»Okay, du wartest hier«, sagte er. »Ich fahre bis an die Treppe. Dauert nur eine Minute.«
Von der Eingangshalle aus ließ sich die Tür zur Tiefgarage mit einem Bügelgriff öffnen. Er schloss sie hinter sich, ging die Stahltreppe hinunter und suchte dabei das Halbdunkel vor sich ab. Niemand zu sehen. Er hielt zielsicher auf den falschen Wagen zu, einen schwarzen Grand Cherokee, der zwei Plätze hinter Jodies Geländewagen stand. Er bückte sich tief und sah unter den beiden Fahrzeugen hindurch. Niemand, der auf dem Garagenboden kauerte. Reacher stand wieder auf und quetschte sich an der Motorhaube des Chryslers vorbei. Auch an der des nächsten Wagens. Er bückte sich zwischen der Hecktür des Bravadas und der Garagenwand eingeklemmt nochmals tief hinunter und suchte Drähte, wo keine Drähte sein sollten. Alles klar. Keine Sprengfalle.
Er schloss auf und setzte sich ans Steuer. Ließ den Motor an, fuhr auf die Mittelspur hinaus und bis zur Treppe. Beugte sich im Wagen nach rechts und stieß die Beifahrertür auf, als Jodie aus der Eingangshalle herunterkam. Sie war mit wenigen Schritten beim Wagen, stellte Handtasche und Pilotenkoffer in den Fußraum und stieg rasch ein. Während sie ihre Tür zuknallte, fuhr Reacher los: rechts auf die Rampe, dann rechts auf den Broadway hinaus.
Die im Osten stehende Morgensonne blendete ihn kurz, bevor er Richtung Süden fuhr. Die erste Querstraße lag fünfzig Meter vor ihnen. Der Verkehr floss langsam. Als die Ampel auf Rot schaltete, war Reacher noch drei Autos von der Kreuzung entfernt. Von seinem Platz in der rechten Spur aus hatte er keinen Einblick in die Querstraße. Aber er sah, dass die von rechts nach links fahrenden Autos sich zu stauen schienen, als gebe es dort ein Hindernis. Vielleicht ein parkendes Auto. Vielleicht ein Viertürer, der dort auf etwas wartete. Dann sprang die Ampel für den Broadway auf Grün.
An der Kreuzung drehte er den Kopf zur Seite und warf hastig einen Blick nach rechts. Nichts von Bedeutung. Kein geparkter Viertürer. Das Hindernis war eine Absperrung um ein offenes Loch. Fünf Meter weiter parkte ein Fahrzeug eines Elektrizitätsunternehmens am Randstein. Auf dem Gehsteig standen ein paar Arbeiter, die sich unterhielten und Cola aus Dosen tranken. Der Verkehr kroch weiter. Kam an der nächsten Ampel erneut zum Stehen. Jetzt hatten sie vier Autos vor sich.
Dies war nicht die richtige Querstraße, der Verkehr vor ihm floss nach Westen, von links nach rechts. Reacher konnte fünfzig Meter weit in die andere Straße hineinsehen. Dort parkte kein Wagen. Aber bestimmt in der nächsten Querstraße.
Eigentlich hätte er gern mehr getan, als einfach an den beiden Kerlen vorbeizufahren. Besser wäre es gewesen, einmal um den Block zu kurven und sich ihnen von rückwärts zu nähern. Den Bravada hundert Meter entfernt abzustellen und zu Fuß weiterzugehen. Sie würden sich nach vorn konzentrieren, den Fußgängerübergang beobachten. Also konnte er sie sich in aller Ruhe ansehen, sogar zu ihnen in den Wagen steigen. Die hinteren Türen würden natürlich nicht verschlossen sein. Er konnte unbemerkt einsteigen und ihre Köpfe zusammenknallen wie ein Militärmusiker seine Becken. Das konnte er ein paar Mal tun, bis die Kerle anfingen, ihm ein paar grundlegende Fragen zu beantworten.
Aber so würde er nicht vorgehen. Konzentration auf den jeweiligen Auftrag, das war seine Devise. Heute lautete sein Auftrag, Jodie heil und gesund ins Büro zu bringen. Als Leibwächter musste er defensiv agieren. Begann er, offensiv zu werden, vernachlässigte er beides. Er hatte sich sein Geld als Leibwächter verdient, und er war dafür ausgebildet. Sehr gut ausgebildet und sehr erfahren. Also würde er defensiv bleiben und es als großen Erfolg ansehen, wenn er sie unversehrt in ihrem Büro ablieferte. Und er würde Jodie nicht erzählen, wie groß die Gefahr war, in der sie schwebte. Er wollte nicht, dass sie sich Sorgen machte. Diese rätselhafte Sache, auf die sich Leon eingelassen hatte, sollte ihr kein Kopfzerbrechen bereiten. Das hätte Leon nicht gewollt. Leon hätte gewollt, dass er
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