Jack Reacher 09: Sniper
Panzerabwehrraketen.
Wie sich jedoch zeigte, war die Verhaftung ein Kinderspiel. James Barr wachte dabei kaum auf. Sie brachen seine Haustüren um drei Uhr morgens auf und trafen ihn allein in seinem Bett schlafend an. Er schlief weiter, während fünfzehn Bewaffnete, die mit fünfzehn MPs auf ihn zielten und fünfzehn Stablampen auf ihn richteten, sich in seinem Schlafzimmer drängten. Er bewegte sich nur leicht, als der SWAT-Kommandeur ihm auf der Suche nach versteckten Waffen Bettdecke und Kopfkissen wegriss. Er hatte keine. Er öffnete die Augen. Murmelte etwas, das wie Was? klang, und schlief dann wieder ein, indem er sich auf der kahlen Matratze zusammenrollte und gegen die plötzliche Kälte die Arme um sich schlang. Er war ein großer Kerl mit heller Haut und schwarzem Haar, das am ganzen Körper grau zu werden begann. Der Schlafanzug wirkte etwas zu klein für ihn. Er sah untrainiert und etwas älter aus als ein Mann von einundvierzig Jahren.
Sein Hund war ein alter Köter, der nur widerstrebend aufwachte und aus der Küche hereingetappt kam. Die beiden Hundefänger schnappten ihn sich sofort und brachten ihn zu ihrem Pick-up nach draußen. Emerson nahm seinen Helm ab und drängte sich durch die Menge in dem kleinen Schlafzimmer nach vorn. Sah auf dem Nachttisch eine drei viertel volle Flasche Jack Daniel’s stehen; daneben eine orangerote Pillenflasche, auch sie drei viertel voll. Er beugte sich darüber. Schlaftabletten. Legal. Vor Kurzem einer Rosemary Barr verschrieben. Auf dem Etikett stand: Rosemary Barr. Bei Bedarf 1 Tablette zum Einschlafen.
»Wer ist Rosemary Barr?«, fragte der stellvertretende Staatsanwalt. »Ist er verheiratet?«
Emerson sah sich im Schlafzimmer um. »Sieht nicht danach aus.«
»Selbstmordversuch?«, fragte der SWAT-Kommandeur.
Emerson schüttelte den Kopf. »Dann hätte er sie alle geschluckt. Und dazu die Flasche JD geleert. Nein, ich denke, Mr. Barr konnte gestern Abend nur nicht einschlafen. Nach einem sehr hektischen und produktiven Tag.«
Die Luft in dem kleinen Raum war abgestanden. Sie roch nach schmutziger Bettwäsche und einem ungewaschenen Körper.
»Wir müssen hier vorsichtig sein«, sagte der stellvertretende Staatsanwalt. »Im Augenblick ist er nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte. Sein Anwalt wird behaupten, er sei außerstande gewesen, die Belehrung über seine Rechte zu verstehen. Also dürfen wir ihn nichts sagen lassen. Und wenn er etwas sagt, dürfen wir nicht hinhören.«
Emerson ließ die Sanitäter kommen. Wies sie an, Barr zu untersuchen, damit feststand, dass er nicht simulierte, und um sicherzugehen, dass er ihnen nicht unter den Händen wegstarb. Sie pusselten ein paar Minuten an ihm herum, hörten seine Herztöne ab, zählten seinen Puls und lasen das Etikett der Pillenflasche. Dann erklärten sie, er sei leidlich fit und gesund, schlafe jedoch fest.
»Psychopath«, meinte der SWAT-Kommandeur. »Keinerlei Gewissensbisse.«
»Wissen wir überhaupt, ob das der richtige Kerl ist?«, fragte der stellvertretende Staatsanwalt.
Emerson griff nach der Hose, die über einer Stuhllehne hing, und sah in den Taschen nach. Zog eine kleine Geldbörse aus der Hüfttasche. Fand darin einen Führerschein. Der Name stimmte, und die Adresse stimmte. Und das Foto stimmte auch.
»Das ist der richtige Kerl«, bestätigte er.
»Wir dürfen ihn nichts sagen lassen«, warnte der stellvertretende Staatsanwalt nochmals. »Diese Sache muss koscher bleiben.«
»Ich belehre ihn trotzdem über seine Rechte«, sagte Emerson. »Ihr seid alle Zeugen, Leute.«
Er rüttelte Barr an der Schulter, bis der Mann halb die Augen öffnete. Dann belehrte er ihn über seine Rechte. Über sein Recht, die Aussage zu verweigern, und sein Recht, sich einen Anwalt zu nehmen. Barr versuchte, sich auf ihn zu konzentrieren, aber das gelang ihm nicht. Er sank zurück und schlief weiter.
»Okay, nehmt ihn mit«, sagte Emerson.
Sie hängten ihm eine Wolldecke um, und zwei Cops führten ihn aus dem Haus und zu ihrem Streifenwagen. Ein Sanitäter und der stellvertretende Staatsanwalt fuhren mit. Emerson blieb im Haus und machte sich daran, es zu durchsuchen. Im Kleiderschrank im Schlafzimmer hing eine abgewetzte Jeans. Staubige Stiefel mit Kreppsohlen waren ordentlich darunter abgestellt. Der beige Dodge Caravan befand sich in der Garage. Das Gewehr mit Kratzern am Kolben stand mit mehreren anderen in einem im Keller an die Wand geschraubten Waffenständer. Auf der Werkbank
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