Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jack Reacher 09: Sniper

Jack Reacher 09: Sniper

Titel: Jack Reacher 09: Sniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
Vom Netzwerk:
darunter lagen fünf Neun-Millimeter-Pistolen und Schachteln mit Munition, darunter eine halb leere mit Patronen Lake City M852 Kaliber.308 mit Hohlspitze. Neben den Schachteln standen Deckelgläser mit leeren Patronenhülsen. Bereit zur Wiederverwendung , dachte Emerson. Bereit zum Nachladen. Das vorderste Glas enthielt nur fünf Lake-City-Patronenhülsen. Sein Deckel war nicht aufgesetzt, als wären die Hülsen erst vor Kurzem und in großer Eile hineingekippt worden. Emerson beugte sich darüber und schnüffelte. In dem Glas roch es nach Pulverdampf. Kalt und alt, aber nicht zu sehr.
     
    Emerson verließ James Barrs Haus um vier Uhr morgens und wurde von Spurensicherern abgelöst, die es genau unter die Lupe nehmen würden. Er rief bei seinem Sergeant vom Dienst an und ließ sich bestätigen, dass Barr in seiner Einzelzelle unter ständiger ärztlicher Aufsicht friedlich schlief. Dann fuhr er nach Hause und machte ein zweieinhalbstündiges Nickerchen, bevor er duschte und sich für die Pressekonferenz anzog.
     
    Nach der Pressekonferenz war die Story mausetot. Eine Story ist darauf angewiesen, dass der Kerl noch dort draußen ist . Sie basiert darauf, dass der Kerl umherschleicht: finster, verschlagen, schemenhaft, gefährlich. Sie braucht Angst. Sie muss bewirken, dass alltägliche Beschäftigungen wie Benzin tanken, im Supermarkt einkaufen oder zur Kirche gehen exponiert und gefährlich erscheinen. Deshalb war es eine Katastrophe für Ann Yanni, als sie noch vor Beginn des zweiten Nachrichtenzyklus hörte, der Kerl sei aufgespürt und gefasst worden. Sie wusste sofort, was die Nachrichtenredaktion denken würde: Chancenlos, aus und vorbei, Geschichte. Buchstäblich eine Meldung von gestern. War vermutlich ohnehin nicht viel wert. Bloß ein durch Inzucht entstandener Spinner im Mittleren Westen, der zu dämlich war, um über Nacht in Freiheit zu bleiben. Schläft wahrscheinlich mit seiner Cousine und trinkt Colt 45. Daran war nichts unheimlich. Sie würde noch einmal mit einer Sondermeldung zu Wort kommen, um das Verbrechen zu rekapitulieren und über die Verhaftung zu berichten. Aber das war’s dann. Zurück in die Anonymität.
    Yanni war also enttäuscht, aber sie verbarg diese Tatsache gut. Sie stellte Fragen und sorgte dafür, dass ihr Tonfall bewundernd klang. Ungefähr zur Halbzeit begann sie, ein neues Thema auszuarbeiten. Eine neue Perspektive. Die Leute würden zugeben müssen, dass die Arbeit der Polizei ziemlich eindrucksvoll gewesen war. Und dieser Täter war kein Spinner. Nicht unbedingt. Also war ein Schwerverbrecher von einer sehr effizienten Polizei geschnappt worden. Ausgerechnet hier im ländlichen Herzen Amerikas. Das war etwas, das in ähnlich gelagerten berühmten Fällen an den Küsten erheblich länger gedauert hatte. Konnte sie das verkaufen? Ihr Unterbewusstsein entwarf bereits Storytitel. Amerikas Schnellste ? Als Anspielung auf den Beinamen Amerikas Beste, auf den die Cops stolz waren?
    Nach ungefähr zehn Minuten erteilte der Chief Emerson das Wort. Emerson informierte ausführlich über Identität und Lebenslauf des Täters. Er sprach nüchtern und trocken. Nichts als die Tatsachen, Ma’am. Er gab einen Abriss der Ermittlungen. Er beantwortete Fragen. Er hob sich nicht persönlich hervor. Ann Yanni hatte den Eindruck, er sei sich bewusst, dass sie bei ihren Ermittlungen verdammt Glück gehabt, ihnen weit mehr Spuren geholfen hatten, als normalerweise zur Verfügung standen.
    Dann trat Rodin ans Mikrofon. Er stellte den Fall so dar, als wäre die Polizei in einige anfängliche Scharmützel verwickelt gewesen, nach denen die eigentliche Arbeit jetzt beginne. Die Staatsanwaltschaft würde alles genau unter die Lupe nehmen und die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen. Und ja, Ms. Yanni, weil die Umstände es seiner Ansicht nach rechtfertigten, würde er ganz sicher die Todesstrafe für James Barr fordern.
     
    Am Samstagmorgen um neun Uhr wachte James Barr von Alkohol und Tabletten verkatert in seiner Zelle auf. Er bekam sofort die Fingerabdrücke abgenommen und wurde erneut über seine Rechte belehrt – nicht nur einmal, sondern gleich zweimal. Über das Recht, die Aussage zu verweigern, und das Recht, sich einen Anwalt zu nehmen. Er entschied sich dafür zu schweigen. Das taten nicht viele Leute. Das schafften nicht viele. Der Drang, sich mitzuteilen, war meist übermächtig. James Barr überwand ihn jedoch. Er hielt einfach den Mund und blieb eisern dabei. Alle möglichen Leute

Weitere Kostenlose Bücher