Jack Reacher 09: Sniper
nichts.
»Tun Sie das?«
Keine Antwort.
»Das Beweismaterial ist vollständig«, sagte Chapman. »Es ist geradezu überwältigend, fürchte ich. Sie können sich unmöglich dumm stellen. Wir müssen darüber reden, wieso Sie’s getan haben. Nur das hilft uns hier weiter.«
Barr sagte nichts.
»Wollen Sie, dass ich Ihnen helfe?«, fragte Chapman. »Oder nicht?«
Barr sagte nichts.
»Vielleicht waren Ihre alten Kriegserlebnisse schuld daran«, sagte Chapman. »Oder posttraumatischer Stress. Oder irgendeine geistige Behinderung. Wir müssen den Grund herausarbeiten.«
Barr sagte nichts.
»Leugnen wäre nicht clever«, meinte Chapman. »Die Beweise sind eindeutig.«
Barr sagte nichts.
»Leugnen kommt nicht infrage«, sagte Chapman.
»Lassen Sie Jack Reacher herkommen«, sagte Barr.
»Wen?«
»Jack Reacher.«
»Wer ist er? Ein Freund?«
Barr sagte nichts.
»Jemand, den Sie kennen?«, fragte Chapman.
Barr sagte nichts.
»Jemand, den Sie früher gekannt haben?«
»Lassen Sie ihn bloß herkommen.«
»Wo ist er? Wer ist er?«
Barr sagte nichts.
»Ist Jack Reacher ein Arzt?«, fragte Chapman.
»Ein Arzt?«, wiederholte Barr.
»Ist er ein Arzt?«, fragte Chapman.
Barr gab keine Antwort, stand nur vom Tisch auf und trat an die Tür des winzigen Raumes und hämmerte dagegen, bis der Wärter sie aufsperrte und ihn in seine überfüllte Zelle zurückbrachte.
Chapman bat Rosemary Barr und den Ermittler der Firma zu einem Gespräch in sein Büro. Der Ermittler war ein pensionierter Cop, der für die meisten hiesigen Anwaltsfirmen arbeitete. Dafür zahlten ihm alle ein monatliches Pauschalhonorar. Er war Privatdetektiv mit entsprechender Lizenz und hieß Franklin. Er hatte nichts von einem Privatdetektiv aus einer Fernsehserie an sich, arbeitete ausschließlich an seinem Schreibtisch, benützte dazu Telefonbücher und Datenbanken. Er ging selten aus dem Haus, besaß keine Schusswaffe, trug keinen Hut. Als Rechercheur und Aufspürer flüchtiger Personen war Franklin jedoch unübertroffen, und er hatte noch immer viele Freunde bei der Polizei.
»Die Beweislage ist eindeutig«, sagte er jetzt. »Das höre ich von allen. Emerson, der die Ermittlungen geleitet hat, ist ziemlich zuverlässig. Das ist Rodin auch – allerdings aus anderen Gründen. Emerson ist ein Pedant und Rodin ein Feigling. Keiner der beiden würde sagen, was sie sagen, wenn sie keine Beweise dafür hätten.«
»Ich kann einfach nicht glauben, dass er’s getan haben soll«, sagte Rosemary Barr.
»Nun, er scheint es jedenfalls abzustreiten«, erklärte Chapman. »Soviel ich aus ihm rausgekriegt habe. Und er verlangt nach einem gewissen Jack Reacher. Anscheinend jemand, den er kennt oder gekannt hat. Haben Sie diesen Namen mal gehört? Wissen Sie, wer der Kerl ist?«
Rosemary Barr schüttelte den Kopf. Chapman schrieb den Namen Jack Reacher auf einen Zettel, den er Franklin hinschob. »Ich tippe auf einen Psychiater. Mr. Barr hat den Namen erwähnt, nachdem ich betont hatte, wie überwältigend die Beweise sind. Vielleicht ist dieser Reacher also jemand, der uns helfen kann, mildernde Umstände zu erreichen. Vielleicht hat er Mr. Barr früher mal behandelt.«
»Mein Bruder war nie bei einem Psychiater«, sagte Rosemary Barr.
»Wissen Sie das bestimmt?«
»Todsicher.«
»Wie lange lebt er schon hier?«
»Vierzehn Jahre. Seit der Army.«
»Haben Sie ihm sehr nahegestanden?«
»Wir haben im selben Haus gewohnt.«
»In seinem Haus.«
Rosemary Barr nickte.
»Aber jetzt wohnen Sie nicht mehr dort.«
Rosemary Barr sah weg.
»Nein«, sagte sie. »Ich bin ausgezogen.«
»Könnte Ihr Bruder nach Ihrem Auszug bei einem Seelendoktor gewesen sein?«
»Das hätte er mir erzählt.«
»Okay, dann vielleicht früher? Beim Militär?«
Rosemary Barr schwieg. Chapman wandte sich wieder an Franklin.
»Vielleicht hat Reacher ihn in der Army behandelt«, sagte er. »Vielleicht kann er Auskunft über ein altes Trauma geben. Er könnte sehr nützlich sein.«
Franklin nahm den Zettel an sich.
»Dann spüre ich ihn auf«, erklärte er.
»Wir sollten ohnehin nicht über mildernde Umstände sprechen«, sagte Rosemary Barr. »Wir sollten über berechtigte Zweifel reden. Über Unschuld .«
»Die Beweise sind erdrückend«, erwiderte Chapman. »Ihr Bruder hat sein eigenes Gewehr benützt.«
Franklin verbrachte drei Stunden damit, vergeblich nach Jack Reacher zu fahnden. Als Erstes durchforstete er die Mitgliederverzeichnisse der
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