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Jack Reacher 09: Sniper

Jack Reacher 09: Sniper

Titel: Jack Reacher 09: Sniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Unfälle vorprogrammiert gewesen wären. Deshalb hatten die Straßenbauer umdisponiert und hier nur eine Fahrspur markiert. Um Platz für Fehleinschätzungen zu lassen, war diese Spur etwas breiter als gewöhnlich. Sie begann ganz links außen, schnitt den Scheitelpunkt der Kurve rechts innen und endete wieder links außen. Damit war die an sich scharfe Rechtskurve entschärft und harmlos geworden.
    »Jetzt wirklich ganz langsam«, sagte Reacher.
    Helen fuhr noch langsamer. Weit vor ihnen war am linken Fahrbahnrand eine halbmondförmige Fläche weiß schraffiert. Gleich rechts neben ihnen begann ein langes schmales Dreieck, ebenfalls weiß schraffiert. Nur Striche auf dem Asphalt, die aber trotzdem zur Verkehrslenkung dienten und Unfälle verhinderten.
    »Rechts ran!«, befahl Reacher. »Und am Rand halten.«
    »Hier darf ich nicht halten«, widersprach Helen.
    »Als ob Sie einen Platten hätten. Einfach rechts ranfahren. Gleich hier!«
    Sie bremste scharf, drehte das Steuer und lenkte den Wagen ins schraffierte Niemandsland rechts von ihnen. Sie spürte die Reifen über die dick aufgetragenen weißen Linien holpern. Ein aufrüttelnder kleiner Rhythmus, der sich mit abnehmender Geschwindigkeit verlangsamte.
    Sie hielt.
    »Ein kleines Stück zurück«, sagte Reacher.
    Helen stieß zurück, als wollte sie entlang der Betonbrüstung einparken.
    »Jetzt wieder einen Meter nach vorn.«
    Sie fuhr einen Meter vorwärts.
    »Okay«, sagte er.
    Er kurbelte sein Fenster herunter. Die Fahrspur links von ihnen war sauber und glatt, aber das schraffierte Niemandsland, in dem sie standen, war mit Split, Schutt und Abfällen bedeckt, die sich im Lauf der Jahre angesammelt hatten. Hier lagen Getränkedosen und Flaschen, abgerissene Schmutzfänger und Glassplitter von Autoscheinwerfern und farbige Kunststoffsplitter von bei Auffahrunfällen zerstörten Heckleuchten. Weit links von ihnen donnerte der Highwayverkehr nach Norden, ein schier endloser Fahrzeugstrom. Aber hier standen sie eine ganze Minute lang, bevor der nächste Wagen auftauchte. Ein einzelner Pick-up raste ziemlich knapp links an ihnen vorbei und ließ Helens Auto schwanken. Dann hatten sie die Spur wieder für sich allein.
    »Nicht viel los«, meinte Reacher.
    »Hier herrscht nie viel Verkehr«, sagte Helen. »Diese Abzweigung führt nirgends hin, wo Leute hinwollen. Rausgeworfenes Geld. Aber irgendwas müssen sie wohl immer bauen.«
    »Dort unten«, sagte Reacher.
    Der Highway stand hier auf hohen Stelzen. Die Fahrbahn befand sich ungefähr zwölf Meter über dem Erdboden. Ihre Betonbrüstung war einen Meter hoch. Rechts vor ihnen ragte das Dachgeschoss der Bücherei auf. Es hatte ein aus Kalkstein gehauenes kunstvolles Kranzgesims und ein Schieferdach.
    »Was?«, fragte Helen.
    Reacher wies mit dem Daumen nach draußen, dann lehnte er sich weit zurück, damit Helen an ihm vorbeisehen konnte. Von hier aus bot sich ein unverstellter Blick auf die Plaza – mit idealer Visierlinie zu der Engstelle zwischen dem Zierteich und der niedrigen Mauer zur First Street. Und in gerader Verlängerung dahinter befand sich der Eingang des DMV-Gebäudes.
    »James Barr war Scharfschütze«, erklärte Reacher. »Nicht der beste, nicht der schlechteste, aber er war einer von uns und hat über fünf Jahre lang trainiert. Und dieses Training verfolgt einen Zweck. Es lässt Leute, die vielleicht nicht sehr clever sind, clever erscheinen , weil es ihnen bestimmte taktische Grundsätze einbläut. Bis sie ihnen in Fleisch und Blut übergehen.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Dies ist die Stelle, von der aus ein erfahrener Scharfschütze geschossen hätte. Hier oben vom Highway aus, denn hier kommen die Zielpersonen in einer Reihe hintereinander auf ihn zu. Und wegen der Engstelle können sie nicht ausweichen. Er wählt einen Zielpunkt und braucht ihn nicht mehr zu verändern. Die Ziele marschieren nacheinander in sein Fadenkreuz. Von der Seite sind sie viel schwieriger zu treffen. Die Ziele bewegen sich relativ rasch von rechts nach links, und er muss eine Kleinigkeit vorhalten, muss den Zielpunkt nach jedem Schuss verändern.«
    »Aber er hat nicht von hier oben geschossen.«
    »Darauf will ich hinaus. Er hätte’s tun sollen, aber er hat’s nicht getan.«
    »Also?«
    »Er hatte einen Minivan. Er hätte genau an dieser Stelle parken sollen. Exakt hier! Er hätte im Wagen nach hinten klettern und die Schiebetür öffnen sollen. Er hätte aus dem Minivan heraus schießen sollen, Helen. Sein

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