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Jack Reacher 09: Sniper

Jack Reacher 09: Sniper

Titel: Jack Reacher 09: Sniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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unrechten Zeit am unrechten Ort zu sein.«
    »Sie waren Ziele?«, fragte Helen.
    »Sorgfältig ausgewählt«, erwiderte Reacher. »Und sobald sie erledigt waren, hat Barr zusammengepackt und ist gegangen. Mit vier Patronen im Magazin. Eine zufällige psychotische Episode wäre anders abgelaufen. Er hätte immer wieder abgedrückt, bis der Schlagbolzen leer geklickt hätte. Also war das kein Amoklauf, sondern eine Hinrichtung.«
    Schweigen.
    »Wir müssen herausfinden, wer die Opfer waren«, sagte Reacher. »Und wir müssen herausfinden, wer sie beseitigen wollte.«
    Helen Rodin bewegte sich nicht.
    »Und das müssen wir verdammt schnell rauskriegen«, sagte Reacher. »Weil ich nicht viel Zeit habe und wir schon fast drei Tage damit vergeudet haben, alles falsch herum zu betrachten.«
     
    Im fünften Stock des County Hospital beendete der übermüdete dreißigjährige Arzt seine Abendvisite. James Barr hatte er sich bis zuletzt aufgehoben. Einerseits, weil er keine dramatische Veränderung seines Zustands erwartete, und andererseits, weil er sich nichts aus ihm machte. Kranke Diebe und Betrüger zu versorgen, war schlimm genug, aber einen Massenmörder aufzupäppeln, fand er absurd. Doppelt absurd, wenn man bedachte, dass Barr nach seiner Genesung auf einer Krankentrage festgeschnallt werden würde, damit ein anderer Arzt ihm eine tödliche Dosis Gift verabreichen konnte.
    Moralische Verpflichtungen ließen sich jedoch schwer ignorieren. Auch Gewohnheiten nicht, genauso wenig wie Pflichtgefühl, Routine und Dienstpläne. Also betrat der Arzt Barrs Zimmer und griff nach dem Krankenblatt. Schraubte seinen Füller auf. Sah auf die Geräte. Warf einen Blick auf den Patienten. Er war bei Bewusstsein. Seine Augen bewegten sich.
    Wach , schrieb der Arzt.
    »Zufrieden?«, fragte er.
    »Eigentlich nicht«, antwortete Barr.
    Ansprechbar , schrieb der Arzt.
    »Ihr Pech«, sagte er und schraubte den Füller wieder zu.
    Barrs rechte Handschelle klirrte sacht gegen das Bettgeländer. Seine rechte Hand zitterte; Daumen und Zeigefinger waren in ständiger Bewegung, als versuchte er, einen imaginären Wachsklumpen zu einer Kugel zu drehen.
    »Aufhören«, sagte der Arzt.
    »Womit aufhören?«
    »Mit Ihrer Hand.«
    »Das kann ich nicht.«
    »Ist das neu?«
    »Seit ein, zwei Jahren.«
    »Nicht erst, seit Sie wieder wach sind?«
    »Nein.«
    Der Arzt sah auf das Krankenblatt. Alter: 41 Jahre .
    »Trinken Sie?«, fragte er.
    »Eigentlich nicht«, erwiderte Barr. »Manchmal einen Schluck, damit ich schlafen kann.«
    Der Arzt glaubte ihm automatisch nicht und blätterte im Anhang des Krankenblatts, bis er zu dem Toxscreen und Leberfunktionstest kam. Aber Toxine hatte man nicht nachweisen können, und die Leberwerte waren gut. Kein Trinker. Kein Alkoholiker. Nicht mal annäherungsweise.
    »Sind Sie in letzter Zeit mal bei Ihrem Arzt gewesen?«, fragte er.
    »Ich bin nicht versichert«, erklärte Barr.
    »Steifheit in Armen und Beinen?«
    »Ein bisschen.«
    »Macht Ihre andere Hand das auch?«
    »Manchmal.«
    Der Arzt schraubte seinen Füller wieder auf und kritzelte auf den unteren Rand des Krankenblatts: Beobachteter Tremor der rechten Hand, nicht posttraumatisch, Primärdiagnose Alkoholismus unwahrscheinlich, Gliedersteife vorhanden, möglicherweise früh einsetzendes P.-S.?
    »Was fehlt mir?«, fragte Barr.
    »Klappe halten«, sagte der Arzt. Nachdem er seine Pflicht getan hatte, steckte er das Krankenblatt wieder in die Halterung am Fußende des Betts und verließ den Raum.
     
    Helen Rodin suchte die förmliche Begründung der Tatvorwürfe gegen James Barr aus den Kartons mit Beweismitteln heraus. Außer zahlreichen kleineren Gesetzesverstößen warf der Bundesstaat Indiana ihm fünf Fälle von Mord unter erschwerenden Umständen vor und hatte die fünf mutmaßlichen Opfer mit Name, Geschlecht, Alter, Anschrift und Beruf aufgeführt, wie es für ein ordentliches Gerichtsverfahren unerlässlich war. Helen überflog die Seite und fuhr mit dem Zeigefinger die Anschriften- und Berufsspalten entlang.
    »Ich sehe keine augenfälligen Zusammenhänge«, sagte sie.
    »Ich habe nicht gemeint, dass sie alle Ziele waren«, entgegnete Reacher. »Vermutlich nur einer, höchstens zwei von ihnen. Die anderen haben nur zur Irreführung gedient. Ein als Amoklauf getarnter Auftragsmord. Darauf tippe ich.«
    »Ich mache mich gleich an die Arbeit«, meinte sie.
    »Wir sehen uns morgen«, sagte er.
    Er benutzte statt des Aufzugs die Feuertreppe und gelangte

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