Jack Reacher 09: Sniper
ungesehen in die Garage hinunter. Hastete die Rampe hinauf, überquerte die Straße und verschwand wieder unter dem Highway. Der unsichtbare Mann. Leben im Schatten. Er lächelte. Dann blieb er stehen.
Er beschloss, ein Münztelefon zu suchen.
Fand eines an der Außenwand eines kleinen Lebensmittelgeschäfts namens Martha’s Grocery zwei Blocks nördlich des Discountladens, in dem er sich eingekleidet hatte. Die Kabine öffnete sich zu einer Gasse hin, die breit genug war, um als Parkplatz zu dienen. Auf den sechs schräg angeordneten Plätzen standen sechs Autos. Hinter ihnen ragte eine hohe Mauer mit auf der Krone einbetonierten Glasscherben empor. Die Gasse bog hinter dem Lebensmittelgeschäft rechtwinklig ab. Er vermutete, dass sie irgendwo erneut abbog und einen Block weiter südlich in eine Straße mündete.
Sicher genug, dachte er.
Er zog Emersons zerrissene Karte aus der Tasche. Wählte die Handynummer. Lehnte sich mit einer Schulter an die Mauer, behielt beide Enden der Gasse im Auge und horchte auf das Surren des Wähltons an seinem Ohr.
»Ja?«, meldete sich Emerson.
»Raten Sie mal, wer?«, fragte Reacher.
»Reacher?«
»Sie haben’s auf Anhieb erraten.«
»Wo sind Sie?«
»Noch immer in der Stadt.«
»Wo?«
»Nicht weit weg.«
»Sie wissen, dass wir nach Ihnen fahnden, oder?«
»Ich hab’s gehört.«
»Also müssen Sie sich stellen.«
»Lieber nicht.«
»Wir finden Sie«, sagte Emerson.
»Glauben Sie das wirklich?«
»Das ist ganz leicht.«
»Kennen Sie einen Typen namens Franklin?«
»Klar.«
»Fragen Sie ihn, wie leicht es sein wird.«
»Das waren andere Umstände. Sie hätten überall sein können.«
»Lassen Sie den Motor Court überwachen?«
Eine kurze Pause. Emerson sagte nichts.
»Lassen Sie Ihre Leute dort«, sagte Reacher. »Vielleicht komme ich zurück. Vielleicht aber auch nicht.«
»Wir finden Sie!«
»Keine Chance. Sie sind nicht gut genug.«
»Vielleicht lassen wir bereits feststellen, woher dieser Anruf kommt.«
»Ich will Ihnen die Mühe ersparen. Ich stehe vor Martha’s Grocery auf der Straße.«
»Sie sollten nicht in der Kälte bleiben.«
»Ich schlage Ihnen einen Tauschhandel vor«, sagte Reacher. »Finden Sie heraus, wer den Markierungskegel im Parkhaus aufgestellt hat, dann denke ich darüber nach, mich zu stellen.«
»Barr hat ihn aufgestellt.«
»Sie wissen, dass er’s nicht war. Sein Wagen ist nicht auf den Überwachungsbändern.«
»Dann hat er ein anderes Fahrzeug benutzt.«
»Er besitzt keinen Zweitwagen.«
»Dann hat er sich ein Auto geliehen.«
»Von einem Freund?«, fragte Reacher. »Vielleicht. Vielleicht hat ja der Freund das Ding für ihn aufgestellt. Also finden Sie diesen Freund, dann überlege ich mir, ob ich vorbeikomme, um mit Ihnen zu reden.«
»Auf den Videobändern sind Hunderte von Autos.«
»Sie haben genügend Leute«, entgegnete Reacher.
»Mit mir gibt’s keinen Kuhhandel«, sagte Emerson.
»Ich glaube, dass er Charlie heißt«, fuhr Reacher fort. »Ein kleiner Kerl, borstiges schwarzes Haar.«
»Mit mir gibt’s keinen Kuhhandel«, wiederholte Emerson.
»Ich habe die Kleine nicht ermordet«, erklärte Reacher.
»Das behaupten Sie.«
»Ich hab sie gemocht.«
»Sie brechen mir das Herz.«
»Und Sie wissen, dass ich letzte Nacht nicht im Metropole war.«
»Deshalb haben Sie sie dort zurückgelassen.«
»Und ich bin kein Linkshänder.«
»Was soll das denn heißen?«
»Sagen Sie Bellantonio, dass er mit Ihrem Gerichtsarzt sprechen soll.«
»Wir finden Sie«, sagte Emerson.
»Das wird Ihnen nicht gelingen«, sagte Reacher. »Das hat noch keiner geschafft.«
Dann hängte er ein, überquerte die Straße, schlenderte einen halben Block nach Norden und ging hinter einem Stapel fabrikneuer Fahrbahnteiler aus Beton auf einem unbebauten Grundstück in Deckung. Er wartete. Sechs Minuten später fuhren zwei Streifenwagen vor Martha’s Grocery vor. Blinklicht, aber keine Sirenen. Vier Cops sprangen heraus. Zwei stürmten in den Laden, zwei machten sich auf die Suche nach dem Telefon. Reacher beobachtete, wie sie sich zu einer Besprechung auf dem Gehsteig versammelten. Wie sie die Gasse bis um die nächste Ecke absuchten. Wie sie zurückkamen. Wie sie sich ihre Erfolglosigkeit eingestanden. Er sah, wie einer der vier über Funk eine kurze Meldung durchgab. Seine Körpersprache war eindeutig defensiv: erhobene Hände, hochgezogene Schultern. Dann war das Gespräch zu Ende, und Reacher schlich nach Osten in
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