Jack Ryan 02 - Die Stunde der Patrioten
umzubringen.» Murray mußte lachen. Er hörte, wie Ryan ärgerlich ausatmete.
«Okay, ich nehme an, ich wäre auch irgendwann darauf gekommen. Danke.»
«Tut mir leid, daß ich Ihr Kartenhaus kaputtmache, aber wir haben die Idee schon vor ein paar Monaten verworfen.»
«Aber am Anfang muß er seine Männer bei der IRA angeheuert haben», wandte Ryan verspätet ein. Er verwünschte sich dafür, so langsam zu sein, erinnerte sich aber, daß Murray schon seit Jahren ein Experte für das Problem war.
«Ja, das glaube ich auch, aber er hat die Zahl sehr klein gehalten», sagte Murray. «Je größer die Organisation wird, um so mehr wächst das Risiko, daß die IRA ihn infiltriert und vernichtet. Sie wollen wirklich seinen Kopf, Jack.» Murray hätte fast den Deal erwähnt, den David Ashley mit der IRA geschlossen hatte. Die CIA wußte noch nichts davon.
«Wie geht's der Familie?» wechselte er das Thema.
«Danke, sehr gut.»
«Bill Shaw sagt, er habe letzte Woche mit Ihnen gesprochen ...» bemerkte Murray.
«Ja. Deshalb sitze ich jetzt hier. Sie haben dafür gesorgt, daß ich mich dauernd umschaue, Dan. Vielen Dank.»
Nun war Murray an der Reihe, ärgerlich auszuatmen. «Tut mir leid. Je mehr ich darüber nachdenke, um so mehr habe ich das Gefühl, daß ich mir über nichts und wieder nichts Sorgen gemacht habe. Kein einziges Indiz. Nichts als Instinkt, wie bei einer alten Frau. Entschuldigung. Ich glaube, ich habe einfach überreagiert, als Jimmy etwas Diesbezügliches sagte. Hoffentlich habe ich Sie nicht allzu sehr beunruhigt.»
«Aber nein», antwortete Jack. «Entschuldigung, aber ich muß gleich los. Bis bald.»
«Ja. Wiederhören, Jack.» Murray legte auf und wandte sich wieder seinem Papierkram zu.
Ryan tat das gleiche. Er mußte um zwölf gehen, um rechtzeitig zu seinem ersten Kurs zu kommen. Der Bote holte die Akten ab, zusammen mit Jacks Notizen, die selbstverständlich auch Verschlußsache waren. Als er das Gebäude einige Minuten später verließ, war er in Gedanken immer noch in O'Donnells Organisation vertieft.
Jack wußte nicht, daß in dem neuen Annex des CIA-Gebäudes das Hauptquartier des Nationalen Aufklärungsdienstes untergebracht war. Das war eine gemeinsame Dienststelle der CIA und der US Air Force, die die Daten von Satelliten und Aufklärungsflugzeugen sammelte und verarbeitete.
Ein Analytiker - in Wahrheit ein Techniker - war dort für die Aufnahmen von Lagern zuständig, in denen Terroristen ausgebildet wurden. Sein Computer speicherte die betreffenden Digitalsignale der Satelliten. Der Analytiker rief die Lager mit Codenummern ab, notierte die Zahl der geheizten Gebäude in jedem einzelnen Lager (man konnte sie mit Infrarotaufnahmen identifizieren) und gab die Daten in eine Datenbank ein. Die Lager, die er beobachtete, befanden sich meist in Wüstengebieten, wo es nachts kalt wurde, so daß die Unterkünfte geheizt werden mußten. Lager 11-5-18 in 28° 32' 47" nördlicher Breite und 19° 7' 52" östlicher Länge bestand aus sechs Gebäuden, von denen eines als Garage diente, in der mindestens zwei Fahrzeuge abgestellt waren - sie wurde zwar nicht beheizt, aber die «Wärmesignatur» von zwei Verbrennungsmotoren strahlte durch das Wellblech. Nur in einem der anderen fünf Gebäude lief die Heizung, registrierte der Analytiker. Letzte Woche - er vergewisserte sich — waren noch drei geheizt worden. Der Computerausdruck sagte ihm, daß das geheizte Gebäude von einer kleinen Wach- und Wartungsmannschaft bewohnt wurde, die vermutlich aus sechs Leuten bestand. Es hatte offenbar eine eigene Küche, denn ein bestimmter Teil war immer wärmer als der Rest. Ein anderes Gebäude diente nur zum Einnehmen von Mahlzeiten. Es war jetzt leer, und die Schlafhütten ebenfalls. Der Analytiker gab all das in den Computer ein, und der Computer verarbeitete es zu einer Zickzackkurve, die anstieg, wenn viele Lagerbewohner da waren, und sich senkte, wenn wenige da waren. Der Analytiker hatte keine Zeit, das Muster der Kurve zu prüfen, und nahm an, jemand anders würde es tun. Er irrte sich.
«Merken Sie es sich, Lieutenant», sagte Breckenridge. «Tief einatmen, halb ausatmen und mit Gefühl abziehen.»
Jack nickte. Die Schießübung war beendet. Er hatte heute überhaupt eine Menge geschafft. Die Berichte über die ULA hatten ihm viel über die Organisation gesagt, aber nichts, rein gar nichts wies darauf hin, daß sie jemals in den USA tätig geworden war. Der Provisorische Flügel der
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