Jack Ryan 02 - Die Stunde der Patrioten
Rollstuhlkennzeichen», sagte das Kassenmädchen im 7-Eleven. «Aber der Kerl am Steuer sah absolut nicht aus wie ein Krüppel.»
«Erinnern Sie sich, wie er aussah?» Sonderagent Nick Capitano und ein Major von der Staatspolizei befragten die Zeugin.
«Ja, er war ungefähr so schwarz wie ich. Ein großer Bursche. Er hatte eine Sonnenbrille auf, eine mit verspiegelten Gläsern. Und er hatte einen Bart. Es war noch mindestens ein anderer Mann im Wagen, aber ich hab' ihn nie gesehen. Also, ein Schwarzer, mehr kann ich nicht sagen.»
«Was hatte er an?»
«Jeans und eine braune Lederjacke, glaube ich.»
«Schuhe oder Stiefel?» fragte der Major.
«Das hab' ich nicht gesehen», antwortete das Kassenmädchen nach einer Weile.
«Und was ist mit Schmuck, T-Shirt mit Aufdruck, irgend etwas Besonderes oder Auffälliges an ihm?»
«Nein, ich kann mich an nichts erinnern.»
«Was hat er hier gemacht?»
«Er hat jedesmal ein Sechserpack Coke Classic gekauft. Ein- oder zweimal hat er noch ein paar Twinkies genommen, aber das Coke jedesmal.»
«Wie hat er geredet? Irgendwie auffällig?»
Das Mädchen schüttelte den Kopf. «Ne, so wie sie hier alle reden, verstehen Sie?»
«Glauben Sie, Sie würden ihn wiedererkennen?» fragte Capitano.
«Vielleicht - hier kommen viele Leute, viele Stammkunden und viele Fremde, verstehen Sie?»
«Würde es Ihnen etwas ausmachen, sich bei uns ein paar Fotos anzusehen?» fuhr der Agent fort.
«Ich muß erst den Boß fragen. Ich meine, ich bin auf diesen Job angewiesen, aber Sie sagen, der Kerl hat versucht, ein kleines Mädchen kaltzumachen - ja, ich helf' Ihnen natürlich.»
«Wir klären das mit dem Boß», versicherte der Major ihr. «Er wird Ihnen nichts abziehen.»
«Handschuhe», sagte sie aufblickend. «Das hatte ich vergessen. Er trug Arbeitshandschuhe. Aus Leder, glaube ich.» Handschuhe, schrieben beide Männer in ihr Notizbuch.
«Vielen Dank, Madam. Wir werden Sie heute abend anrufen. Und morgen früh wird ein Wagen Sie abholen, damit Sie sich für uns ein paar Fotos ansehen können», sagte der FBI-Agent.
«Abholen?» Die Kassiererin war überrascht.
«Aber ja.» Personal spielte in diesem Fall keine Rolle. Der Agent, der sie abholte, würde sie auf der Fahrt nach Washington noch mal ausquetschen. Die beiden Fahnder gingen. Der Major fuhr einen zivilen Pkw der Staatspolizei.
Capitano überflog seine Notizen. Für ein erstes Gespräch war das nicht schlecht. Er, der Major und fünfzehn andere hatten den ganzen Tag Leute in Geschäften und Werkstätten am Ritchie Highway bis zehn Kilometer westlich und östlich des Tatorts befragt. Vier Personen glaubten sich an den Transporter zu erinnern, aber dies war die erste, die einen der Insassen gut genug gesehen hatte, um ihn beschreiben zu können. Es war nicht viel, aber es war ein Anfang. Den Schützen hatten sie bereits identifiziert. Cathy Ryan hatte Sean Millers Gesicht erkannt - glaubte, es erkannt zu haben, verbesserte der Agent sich. Wenn es Miller gewesen war, hatte er jetzt einen Bart, dunkelbraun und ordentlich gestutzt. Ein Zeichner würde versuchen, das hinzukriegen.
Zwanzig weitere Agenten und Kriminalbeamte hatten den Tag auf den drei Flugplätzen der Umgebung verbracht und allen Leuten hinter den Schaltern und an den Sperren Fotos gezeigt. Sie waren mit leeren Händen zurückgekommen, aber sie hatten noch keine Beschreibung von Miller gehabt. Morgen würden sie es noch einmal versuchen. Die Auslandsflüge mit Anschluß für Flüge nach Irland und die Inlandsflüge mit Anschluß für Auslandsflüge wurden von Computern gecheckt. Capitano war froh, daß nicht er diese Idiotenarbeit machen mußte. Es würde lange dauern, und die Chance, daß ein Flughafenangestellter den Gesuchten identifizierte, verringerte sich stündlich.
Der Transporter war dank eines FBI-Computers seit gut vierundzwanzig Stunden identifiziert. Er war vor über einem Monat in New York gestohlen und dann - offenbar von Profis - umlackiert und mit neuen Kennzeichen versehen worden. Letzteres mehrmals, denn die Versehrtenschilder, die man gestern daran gefunden hatte, waren zwei Tage vorher vom Transporter eines Pflegeheims in Hagerstown, Maryland, hundertsechzig Kilometer von Annapolis entfernt, abgeschraubt und gestohlen worden. Alles an dem Verbrechen roch danach, daß es von A bis Z ein Profijob gewesen war. Der Fahrzeugwechsel beim Einkaufszentrum war der brillante Schlußpunkt einer hervorragend geplanten und ausgeführten Operation
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