Jack Ryan 02 - Die Stunde der Patrioten
Tim» war für seine spitze Zunge berühmt und gefürchtet. «Wenn ich mich recht erinnere, hat Ihr Viktor Iljitsch Lenin einmal gesagt, der Sinn des Terrorismus bestehe darin zu terrorisieren, und Mitgefühl sei bei einem Revolutionär ebenso unangebracht wie Feigheit auf dem Schlachtfeld.»
«Das waren harte Zeiten, Pater», bemerkte Platonow verbindlich. «Mein Land hat nichts mit diesen Verrückten von der IRA zu schaffen. Das sind keine Revolutionäre, so laut sie auch das Gegenteil behaupten. Sie haben kein revolutionäres Ethos. Was sie tun, ist Wahnsinn.» Er verstummte und räusperte sich, um dann schnell das Thema zu wechseln. «Übrigens, Doktor Ryan, unser Marineattache würde Sie gern kennenlernen und mit Ihnen über Ihr Buch sprechen. Wir geben am nächsten Zwölften einen kleinen Empfang in der Botschaft. Der gute Pater wird ebenfalls kommen, er kann ja über Ihre Seele wachen. Würden Sie und Ihre Gattin uns die Ehre geben?»
«Ich habe die Absicht, die nächsten Wochen zu Hause bei meiner Familie zu verbringen. Meine Tochter wird mich eine ganze Weile dort brauchen.»
Der Diplomat ließ sich nichts anmerken. «Ja, das kann ich verstehen. Dann vielleicht ein andermal?»
«Gern, rufen Sie mich irgendwann im Sommer an.» Reitet mich der Teufel?
«Sehr schön. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden, ich möchte mit Professor Hunter über seinen Vortrag sprechen.» Der Diplomat gab ihm wieder die Hand und ging zu der Gruppe von Historikern, die den Vortragsredner umringte und ihm andächtig zu lauschen schien.
Ryan wandte sich zu Pater Riley, der das Gespräch schweigend mit angehört hatte, während er von seinem Champagner trank.
«Ein interessanter Bursche, dieser Sergej», sagte Riley. «Er liebt es, die Leute auf ihre Reaktionen zu testen. Ich frage mich, ob er wirklich an sein System glaubt oder ob er nur mitmacht, um in der Nomenklatura zu bleiben.»
Ryan hatte eine drängendere Frage. «Was zum Teufel sollte das alles, Pater?»
Riley schmunzelte. «Sie werden unter die Lupe genommen, Jack.»
«Warum?»
«Sie brauchen mich nicht, um das zu beantworten. Sie arbeiten bei der CIA. Wenn ich recht vermute, will Admiral Greer Sie in seinem persönlichen Stab haben. Martin Cantor hat für nächstes Jahr einen Ruf an die Universität Texas angenommen, und Sie sind einer der Kandidaten für seinen Job. Ich weiß nicht, ob Sergej etwas davon gehört hat, aber Sie schienen ihm wahrscheinlich das beste Ziel hier im Raum zu sein, und er wollte einfach ein Feeling für Sie bekommen.»
«Cantors Job? Aber ... Das hat mir kein Mensch gesagt!»
«Das Leben ist voller Überraschungen. Wahrscheinlich hat man Ihren Background noch nicht fertig überprüft und wird erst mit dem Angebot herausrücken, wenn das Ergebnis vorliegt. Ich nehme an, die Informationen, mit denen Sie arbeiten, sind immer noch recht beschränkt?»
«Darüber kann ich nicht reden, Pater.»
Der Jesuit lächelte. «Das habe ich mir gedacht. Die Arbeit, die Sie drüben getan haben, hat die richtigen Leute beeindruckt. Wenn ich es recht verstehe, wird man Sie jetzt hochpäppeln wie ein vielversprechendes Weltergewicht.» Riley nahm sich noch ein Glas Champagner. «So, wie ich James Greer kenne, wird er Sie an seinen Busen ziehen, ohne daß Sie sich dessen bewußt sind.»
«Woher wissen Sie das alles?» fragte Ryan verblüfft.
«Jack, was glauben Sie, von wem die Leute drüben zum erstenmal Ihren Namen gehört haben? Wer, glauben Sie, hat Ihnen das Stipendium des Zentrums für Strategische und Internationale Studien beschafft? Den Leuten dort gefiel Ihre Arbeit ebenfalls. Martin hörte, was ich sagte und was Sie sagten, und meinte letzten Sommer, Sie seien einen Versuch wert, und Sic waren besser, als irgend jemand erwartet hatte. Es gibt hier in der Stadt ein paar Leute, die etwas auf meine Meinung geben.»
«Oh.» Ryan mußte lächeln. Er hatte beinahe das Wichtigste über die Gesellschaft Jesu vergessen: Ihre Mitglieder kannten jedermann, auf den es ankam, und erfuhren so manches. Der Universitätspräsident gehörte zum Cosmos Club und zum University Club, was automatisch Zugang zu den wichtigsten Ohren und Mündern in Washington bedeutete. Pater Rileys intellektuelle Fähigkeiten waren bekannt, seine Meinung fiel ebensosehr in die Waagschale wie die anderer angesehener Akademiker, und dazu kam seine moralische Autorität als promovierter Theologe.
«Wir sind gute Sicherheitsrisiken, Jack», sagte Riley wohlwollend.
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