Jack Ryan 02 - Die Stunde der Patrioten
gut zu sein. Wir müßten ein paar gute Aufnahmen kriegen.»
Ryan wünschte, er hätte Zigaretten dabei. Sie machten das Warten leichter, aber jedesmal, wenn Cathy es an seinem Atem merkte, hagelte es Vorwürfe. In diesem Moment schlichen die Angreifer sich an und legten die letzten tausend Meter zum Lager zurück. Ryan hatte so etwas selbst hinter sich, natürlich nur als Übung. Sie mußten praktisch die ganze Strecke robben, schrammten sich dabei Hände und Knie blutig und bekamen Sand in die Wunden. Es war entsetzlich anstrengend, und die Tatsache, daß das Ziel bewacht wurde, machte es nicht leichter. Man durfte nur dann vorrücken, wenn die Posten in die andere Richtung sahen, und mußte mucksmäuschenstill sein. Sie würden nur Grundausrüstung bei sich haben, ihre persönlichen Waffen, vielleicht einige Handgranaten, ein paar Funkgeräte, und sich mit angespannten Sinnen wie Raubtiere durch den Sand bewegen.
Fasziniert von dem Bild, das ihre Phantasie zeichnete, starrten die vier auf den Bildschirm.
«So», sagte der Techniker. «Die Kameras sind betriebsbereit. Haben das Ziel erfaßt. In neunzig Sekunden knipsen sie los.»
Der Monitor leuchtete auf. Ein Testbild erschien. Ryan hatte seit Jahren kein solches mehr gesehen.
«Da!»
Das Bild kam. Leider war es wieder eine Infrarotaufzeichnung. Ryan hatte aus irgendeinem Grund erwartet, daß es «normale» Bilder sein würden. Wegen des niedrigen Aufnahmewinkels war sehr wenig vom Lager zu erkennen. Sie sahen kein Zeichen von Leben. Der Techniker runzelte die Stirn und vergrößerte den Bildausschnitt. Sie konnten nicht mehr sehen, nicht mal die Hubschrauber.
Der Aufnahmewinkel änderte sich langsam, und es war kaum zu fassen, daß der Spähsatellit mit über 28000 Stundenkilometern dahinraste. Endlich konnten sie alle Hütten ausmachen. Ryan kniff die Augen zusammen. Auf dem Infrarotbild leuchtete nur eine. Verdammt. Nur eine Hütte - die der Lagermannschaft - wurde geheizt. Was bedeutete das? Sie sind fort - alle weg ... und das Einsatzkommando ist auch nicht da.
Ryan sagte, was die anderen nicht aussprechen mochten: «Es ist was schiefgegangen.»
«Wann können sie uns mitteilen, was passiert ist?» fragte Cantor den Franzosen.
«Sie dürfen die Funkstille die nächsten paar Stunden nicht brechen.»
Die nächsten Stunden verbrachten sie in Cantors Büro. Dann klingelte das Telefon. Der Franzose nahm den Anruf entgegen und redete in seiner Sprache. Das Gespräch dauerte vier oder fünf Minuten. Jean-Claude legte auf und wandte sich wieder zu ihnen.
«Das Einsatzkommando stieß etwa hundert Kilometer vom Lager entfernt auf eine reguläre Armee-Einheit, anscheinend eine mechanisierte Truppe, die eine Nachtübung machte. Sie hatten nicht damit gerechnet. Da sie sehr niedrig anflogen, kam die Begegnung ganz unvermittelt. Die anderen eröffneten das Feuer auf die Hubschrauber. Sie mußten abdrehen, da das Lager gewarnt werden würde.» Jean-Claude brauchte nicht hinzuzufügen, daß derartige Kommandounternehmen bestenfalls in der Hälfte der Fälle erfolgreich verliefen.
«So etwas hatte ich befürchtet.» Jack starrte auf den Boden. Niemand brauchte ihm zu sagen, daß die Mission nicht wiederholt werden konnte. Sie waren ein großes Risiko eingegangen, indem sie versucht hatten, ein so brisantes Unternehmen zweimal hintereinander durchzuführen. Es würde kein drittes Mal geben. «Sind Ihre Männer in Sicherheit?»
«Ja, ein Hubschrauber wurde beschädigt, aber sie haben es zum Stützpunkt zurück geschafft. Keine Verwundeten.»
«Danken Sie Ihren Leuten bitte, daß sie es versucht haben, mon Colonel.» Cantor entschuldigte sich und ging nach nebenan, in seine Toilette. Dort übergab er sich. Seine Magengeschwüre bluteten wieder. Er versuchte, sich auf den Beinen zu halten, aber er bekam einen Schwächeanfall. Beim Hinfallen knallte er mit dem Kopf gegen die Tür.
Jack hörte das Geräusch und sah nach, was geschehen war. Er hatte Mühe, die Tür zu öffnen, und dann sah er Cantor auf den Fliesen liegen. Sein erster Impuls war, Jean-Claude zu bitten, er möge einen Arzt holen, aber er wußte selbst nicht, wie man das von hier aus machte. Er half Martin auf die Beine, führte ihn ins Zimmer zurück und setzte ihn auf einen Armstuhl.
«Was ist los?»
«Er hat Blut gespuckt. Wie zum Teufel kriegt man hier ...» Ryan überlegte nicht weiter, sondern rief Admiral Greers Büro an.
«Martin ist zusammengebrochen. Wir brauchen sofort einen
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