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Jack Ryan 02 - Die Stunde der Patrioten

Jack Ryan 02 - Die Stunde der Patrioten

Titel: Jack Ryan 02 - Die Stunde der Patrioten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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eine Miene zu verziehen, und während der Gerichtsschreiber seine Aussage fertig protokollierte und die Zuschauer auf der Galerie miteinander flüsterten, waren er und Miller allein und maßen ihre Willenskraft. Was ist hinter diesen Augen? fragte Jack sich wieder. Sicher kein Schwächling. Dies ist ein Spiel - ein Spiel, das Miller lange geübt hat, dachte er. Hinter jenen Augen war eine Kraft, wie man sie bei einem Raubtier finden konnte. Aber es gab nichts, was die Kraft dämpfte, keine Zügelung durch Moral oder Gewissen, nur eiserner Wille. Von vier Polizeibeamten umgeben, war Miller so harmlos wie ein Wolf im Käfig, und er sah Ryan an, wie ein gefangenes Tier es tun könnte, ohne ihn als menschliches Wesen zu würdigen. Er war ein Räuber, der ein ... eine Sache betrachtete und sich fragte, wie er sich ihrer bemächtigen könnte. Anzug und Krawatte waren Tarnung, genau wie das Lächeln, das er vorhin an Freunde auf der Galerie gerichtet hatte. Er dachte jetzt nicht an sie. Er dachte auch nicht daran, was das Gericht beschließen würde. Er dachte nicht ans Gefängnis, das wußte Jack. Er dachte nur an etwas, das Ryan hieß, an etwas, das im Augenblick außerhalb seiner Reichweite war. Jacks rechte Hand zuckte, als wollte sie zu der Pistole greifen, die einen guten Meter weiter auf dem Indizientisch lag.
    Aber dies war doch kein Tier im Käfig. Miller war intelligent und gebildet. Er konnte denken und planen wie ein Mensch, aber wenn er zuschlug, würde er sich nicht von menschlichen Überlegungen leiten lassen. Als Jack sich für die CIA mit Terroristen befaßt hatte, hatte er sie abstrakt gesehen, wie Roboter, die Verbrechen begingen und irgendwie unschädlich gemacht werden mußten. Er hatte nicht damit gerechnet, einem zu begegnen. Insbesondere hatte er nicht damit gerechnet, von einem auf diese Weise fixiert zu werden. Wußte er nicht, daß er nur seine staatsbürgerliche Pflicht tat?
    Das ist dir ganz schnuppe. Ich bin etwas, das dir in die Quere gekommen ist. Ich habe dich verwundet, deinen Freund getötet, eure Mission vereitelt. Du willst dich rächen, nicht wahr? Ein verwundetes Tier wird seinen Quälgeist jagen, sagte Jack sich. Und dieses verwundete Tier hat einen Verstand. Es hat ein Gedächtnis. Er wischte sich seine schwitzende Hand am Hosenbein ab, im Zeugenstand, so daß es niemand sah.
    Er wurde von einer Furcht gepackt, die er noch nie gespürt hatte. Es dauerte einige Sekunden, bis er sich daran erinnerte, daß Miller von vier Bullen umringt war, daß die Jury ihn schuldig sprechen würde, daß er lebenslänglich bekommen würde und daß das Gefängnisdasein die Person hinter jenen hellgrauen Augen ändern würde.
    Ich war bei der Marineinfanterie, sagte er sich. Ich habe keine Angst vor dir. Ich nehme es mit dir auf. Bastard. Ich habe schon mal gewonnen, stimmt's? Er erwiderte Sean Millers kaum merkliches Lächeln, bewegte nur einen Mundwinkel. Kein Wolf - ein Wiesel. Lästig, aber kein Grund zur Beunruhigung, sagte er sich. Er wandte sich ab wie von einem Geschöpf im Zoo. Er fragte sich, ob Miller gesehen hatte, was in ihm vorgegangen war.
    «Keine weiteren Fragen», sagte Atkinson.
    «Der Zeuge ist entlassen», sagte Lordrichter Wheeler.
    Jack erhob sich von dem Schemel und wandte sich zum Gehen. Dabei traf sein Blick wieder den Angeklagten, und er sah, daß Miller immer noch kaum merklich lächelte, daß sein Gesichtsausdruck sich nicht geändert hatte.
    Jack trat in die Eingangshalle hinaus, während der nächste Zeuge in die umgekehrte Richtung ging. Dan Murray erwartete ihn.
    «Nicht schlecht», bemerkte der FBI-Agent. «Aber Sie sollten aufpassen, wenn Sie sich mit einem Anwalt anlegen. Beinahe hätte er Sie gehabt.»
    «Glauben Sie, es wird Folgen haben?»
    Murray schüttelte den Kopf. «Nein. Dieser Prozeß ist eine Formalität. Der Fall ist hieb- und stichfest.»
    «Was wird er kriegen?»
    «Lebenslänglich. Normalerweise bedeutet das hier ebensowenig wie bei uns - sechs oder acht Jahre. Aber für ihn ist es lebenslänglich. Oh, da sind Sie ja, Jimmy.»
    Commander Owens kam den Korridor herunter und trat zu ihnen. «Nun, wie war der Auftritt?»
    «Er hat keinen Oscar bekommen, aber die Geschworenen mochten ihn», antwortete Murray. «Wie wär's, wenn wir ihm jetzt ein Bier spendierten?»
     
    «Doktor Ryan erwies sich als souveräner Zeuge und wehrte den klug durchdachten Angriff des Verteidigers Charles Atkinson ab», sagte der Sprecher der Fernsehnachrichten. «Er

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