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Jack Ryan 02 - Die Stunde der Patrioten

Jack Ryan 02 - Die Stunde der Patrioten

Titel: Jack Ryan 02 - Die Stunde der Patrioten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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hatte in ihm immer einen schwachen Charakter gespürt - schwach, aber gerissen. Er hatte noch nie mit der Polizei zu tun gehabt, sein Name war in keiner ihrer Akten vermerkt. Er hatte nie einen Stein, geschweige denn einen Molotowcocktail auf einen Briten geworfen. Er zog es vor zu beobachten und ließ seinen Haß ohne emotionales Ventil wachsen. Der stille, zurückhaltende und unauffällige Dennis war der ideale Mann für seinen Job. O'Donnell wußte, daß Dennis kein Blut vergießen konnte, aber er würde wahrscheinlich auch keine Träne vergießen. Er dachte bei sich, du blasses Männchen, du kannst eine hervorragende Nachrichtenorganisation aufbauen. Du hast wohl noch nie eine schmutzige Arbeit erledigt, aber auf dein Konto gehen letzten Endes ... ja, zehn Leute, oder waren es zwölf? Ob der Kerl überhaupt Gefühle hatte? Wahrscheinlich nicht - sehr gut. Cooley hatte eine Zukunft in der Organisation.
    Sie beendeten ihre Unterhaltung beim Kaffee. Cooley zahlte. Er bestand darauf: Das Geschäft lief ausgezeichnet. O'Donnell steckte den Umschlag in die Tasche und verließ das Restaurant. Er widerstand dem Drang, den Bericht sofort zu lesen. Er war ein Mann, der eigentlich nicht viel Geduld hatte, und deshalb zwang er sich, sie aufzubringen. Ungeduld hatte mehr Operationen scheitern lassen als die britische Armee, das wußte er. Auch das war eine Lektion aus seinen frühen IRA-Tagen. Er fuhr mit seinem BMW durch die alten Straßen, ohne die zulässige Geschwindigkeit zu überschreiten, und ließ die Stadt dann immer weiter hinter sich, während er zu seinem Haus auf der Landzunge fuhr. Er nahm nicht die kürzeste Strecke und behielt den Rückspiegel im Auge. O'Donnell wußte, daß er sich sicher fühlen konnte. Er wußte auch, daß fortwährende Wachsamkeit dafür sorgen würde, daß das so blieb. Sein teurer Wagen war auf das Hauptbüro seiner Firma in Dundalk zugelassen. Es war eine richtige Firma mit neun Trawlern, die ihre Schleppnetze durch die kalten Gewässer um die Britischen Inseln zogen. Sie hatte einen ausgezeichneten Geschäftsführer, einen Mann, der nie in irgendwelche Operationen verwickelt gewesen war und dessen Fähigkeiten es O'Donnell erlaubten, unten im Süden wie ein Gutsbesitzer zu leben. Die Tradition des Chefs, der die Früchte der Arbeit anderer genoß, war in Irland sehr alt - ebenfalls ein Vermächtnis der Engländer, wie O'Donnells Herrenhaus.
    Es dauerte nur eine knappe Stunde, bis er die von zwei Steinpfeilern markierte Privatzufahrt erreicht hatte, und fünf Minuten danach parkte er vor dem Haus über dem Meer. Wie jeder Durchschnittsbürger stellte O'Donnell seinen Wagen im Freien ab; das an das Hauptgebäude angebaute Kutschenhaus war von einem Bauunternehmer aus dem Nachbarort in Büroräume umgebaut worden. Er ging sofort in sein Arbeitszimmer. Dort wartete McKenney auf ihn - und las eine Neuausgabe von Yeats' Gedichten. Noch so ein Bücherwurm, aber er teilte Cooleys Abneigung gegen Blutvergießen nicht. Sein gelassenes, diszipliniertes Auftreten kaschierte einen wilden Kampfgeist. Ein Mann wie er, O'Donnell, dieser Michael. Sein Temperament mußte allerdings noch ein wenig gezügelt werden - genau wie seinerzeit das des jungen O'Donnell. Deshalb hatte er ihn zum Leiter des Nachrichtenwesens gemacht; auf diesem Posten konnte er lernen, wie wichtig es war, reiflich zu überlegen und alle verfügbaren Nachrichten zu sammeln und auszuwerten, bevor man in Aktion trat. Die IRA machte das nie wirklich. Sie benutzten taktische Informationen, aber keine strategischen - eine gute Erklärung, dachte O'Donnell, für die Sinnlosigkeit ihrer Gesamtstrategie. Das war einer der Gründe, warum er dem Provisorischen Flügel den Rücken gekehrt hatte - aber er würde eines Tages in seinen Schoß zurückkehren. Oder, genauer ausgedrückt, sie würden zu ihm zurückkehren. Dann würde er seine Armee haben. Kevin hatte bereits einen Plan dafür, aber selbst seine engsten Mitarbeiter kannten ihn nicht, wenigstens nicht die zweite Hälfte.
    Er setzte sich auf den lederbezogenen Armstuhl hinter dem Schreibtisch und zog den Umschlag aus der Tasche. McKenney trat zum Bücherschrank in der Ecke und schenkte ein Glas Whisky für seinen Chef ein. Er tat Eiswürfel hinzu, denn Kevin hatte sich vor einigen Jahren in einem heißeren Klima angewöhnt, ihn so zu trinken. Er stellte das Glas auf den Schreibtisch, und O'Donnell nahm es wortlos und trank einen kleinen Schluck.
    Das Dokument hatte sechs Seiten, und

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