Jack Taylor auf dem Kreuzweg
hingen drei gerahmte Bilder: der Papst, das Allerheiligste Herz Jesu Christi und Eoin in seiner Polizeiuniform. Er sah unmöglich jung aus, mit frischem Gesicht und einem Feuereifer, der an meinem Herzen zerrte.
Mrs Heaton fragte: »Kann ich Ihnen einen Tropfen Tee machen, Liebchen?«
Heiland.
Liebchen.
Es hatte Zeiten gegeben, da war diese anheimelnde Anrede so verbreitet gewesen wie Raubüberfälle. Man hörte sie nicht mehr. Sie vermittelte mühelos Wärme und Intimität, ohne aufdringlich zu sein. Ich sagte, eine Tasse Tee würde mich überglücklich machen. Das alte Ritual, ebenfalls vom Aussterben bedroht. Wenn man heutzutage jemanden besuchte, kriegte man Designer-Kaffee angeboten, keine Wärme, vielleicht neben dem schicken Koffein noch ein Vorkaufsrecht auf Wertpapiere. Von einer Dame wie dieser würde man nie einen Tee zurückweisen, das wäre, als spuckte man ihr ins Gesicht. Und egal, wie alt oder gebrechlich sie war, nie – niemals – bot man seine Hilfe an.
Auf dem Kaminsims – mit irischer Spitze belegt, alles handgeklöppelt – standen Trophäen für Hurling und Gaelic Football und eine kleine Flasche mit Weihwasser aus Lourdes. Schnell schluckte ich eine von Stewarts Pillen. Das alles nahm mich stärker mit, als ich zugeben mochte.
Fünf Minuten später kam sie mit einem Tablett zurück. Eine Kanne Tee, ihr bestes Porzellan und ein Stück englischer Kuchen.
Sie hob den Kopf, fragte: »Hätten Sie gern einen Tropfen von der Kreatur?«
Whiskey.
Nur, wenn ich nie wieder weggehe und die ganze Flasche trinke.
»Nein, der Tee wäre ganz großartig.«
Glitt in die alte Redeweise, als hätte ich mich nie aus ihr entfernt.
Sie sagte: »Wir werden den Tee ziehen lassen.«
Sie ließ sich mit wohlüberlegten Bewegungen auf einen Sessel sinken und rührte mit einem Löffel den Tee in der Kanne um. Um den Hals trug sie an einer blauen Schnur eine wundertätige Medaille.
Sie sagte: »Ist es nicht geradezu grimmig kalt?«
War es gar nicht.
Ich sagte: »Bitterkalt.«
Tee und das Wetter, geht es vielleicht noch ein bisschen irischer?
Ich sagte: »Das mit Eoin tut mir so leid.«
Scheiße, ich versuchte, irgendeine überzeugende Lüge über ihn zu entwickeln, aber sie war seine Mutter, sie würde sich auf jeden Krümel stürzen, den ich zutage förderte.
Ich versuchte: »Er war ein guter Mann.«
Brillant, einfach scheißemäßig zutiefst inspiriert.
Sie begann zu schluchzen. Nicht laut – schlimmer, diese stillen Schluchzer, die den ganzen Menschen schütteln. Eine Träne rann ihre Wange hinunter, traf auf die Porzellantasse, machte ein leises Pling, und ich wusste, wusste mit jeder Faser meines Seins, dass dies Pling sich dem Phantomorchester albtraumartiger Melodien einfügen würde, die mich im Schlaf verfolgten.
Sie betupfte sich die Augen mit einem Kleenex, sagte: »Tut mir leid, Mr Taylor, es ist …«
Eilfertig sagte ich: »Bitte, Mrs Heaton, nennen Sie mich Jack.«
Sie weigerte sich, aber ich hatte etwas Zeit gewonnen. Ich fragte: »Kann ich irgendwas tun? Was holen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Eoin hatte … große Schwierigkeiten, und das Trinken, das ist ein böser Fluch, er konnte sich nicht davon befreien.«
Ich versuchte, mir einen Abgang einfallen zu lassen, als sie sagte: »Ich hätte nicht gedacht, dass er Blackie mitnehmen würde.«
Wie ein Vollidiot echote ich: »Blackie?«
Als führte sie ein Selbstgespräch, fuhr sie fort: »Natürlich hat er diesen Hund geliebt, und ich hätte wissen sollen, dass er nie ohne ihn fortgehen würde.«
In meinem Kopf schwirrte es, als ich versuchte, dies in die richtige Perspektive zu kriegen.
»Blackie war sein Hund?«
Der gewitzte Detektiv, dem nichts entgeht, der souveräne Bezwinger der Datenflut.
Ihr gelang ein kleines Lächeln, es ließ ihr ganzes liebes Gesicht leuchten, machte sie prompt dreißig Jahre jünger.
»Er hat für dieses Tier gelebt, und als er … als er … in den Fluss ging, war ich nicht überrascht, dass er Blackie mitgenommen hat.«
Sie kramte in ihrer Schürze, zog ein sauber gefaltetes Stück Papier hervor, hielt es mir hin.
»Dies hat er mir hinterlassen.«
Mir sank das Herz, ich nahm das Blatt, faltete es auf, las:
Meine liebe Mamie
es tut mir so leid, ich kann nicht mehr, und bitte bete für mich, ich nehme Blackie zur Gesellschaft mit, in meiner Sockenschublade sind ein paar 100 Euro. Ich liebe Dich, Mam.
XXXXXXX Eoin
Ich gab ihr den Abschiedsbrief zurück, unfähig, auch nur ein Wort zu
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