Jack Taylor auf dem Kreuzweg
einzutreten.
»Mir fallen die Haare aus. Auf diese Weise brauche ich mir das nicht stückchenweise mit anzusehen.«
Nichts gegen zu sagen.
Dadurch wirkte er plötzlich richtig abgebrüht, was ihn, in Verbindung mit seinen neuen steinernen Augen, dem Bankschalterheini, als den ich ihn vor all den Jahren kennengelernt hatte, total entfremdete.
Die ganze Ausstrahlung warnte: Pup mich nicht an.
Die Wohnung war immer noch spartanisch und wirkte unbewohnt.
Er sagte: »Ich hole den Tee.«
Aber ja doch.
Ich setzte mich hin und überlegte, ob ich wohl noch ein paar von diesen Zauberpillen abstauben konnte.
Er kam mit zwei großen Bechern voll bösartig riechendem Zeugs zurück, stellte einen vor mir ab, fragte: »Was haben Sie im Sinn, Jack?«
Ich brachte etwas Abstand zwischen den Becher und mich und versuchte es mit Leichtfertigkeit: »So mal eben in gesellig-mitmenschlicher Weise reinschneien ist nicht?«
Er schüttelte den Kopf, nahm einen Schluck von seinem Tee. »Das Gesellig-Mitmenschliche ist Ihnen nicht gegeben, Jack, also was haben Sie im Sinn?«
Was soll’s. Ich sagte es ihm. Komplett – die Familie, die als Einheit mordete. Brauchte Zeit, das alles darzulegen.
Er hörte zu, ohne zu unterbrechen, und als ich fertig war, hätte ich um ein Haar von dem Tee gekostet. Dann fiel mir das Geschenk ein, ich zog es aus der Tasche, sagte: »Alles Gute zum Einzug in die neue Wohnung.«
Er war überrascht, machte es auf und sagte: »Sie bringen mir ein Kreuz – meinen Sie nicht, ich habe schon genug zu tragen?«
Klang nicht nach Dankbarkeit.
»Soll Glück bringen, Sicherheit für Ihr Heim.«
Er legte es beiseite, sagte: »Um das hinzukriegen, braucht man mehr als die hl. Wie-heißt-sie-noch.«
Ich war ein bisschen ungehalten.
»Diese Kreuze sind schwer zu kriegen.«
Heiland, klang das lahm, schon während ich es noch sagte.
Er trank seinen Tee aus, sagte: »Genau wie Glück.«
Bevor ich etwas erwidern konnte, fragte er: »Was planen Sie?«
»Ich habe keine Ahnung.«
Dies ließ er herumflirren, sagte dann: »Es ist ziemlich simpel. Ich habe Thich Nhat Hanh gelesen, und der hat gesagt: › Tu nicht einfach was. Sitz da.‹«
Genau, was ich brauchte. Philosophie.
Ich fragte: »Sie sagen, ich soll nichts tun?«
Er stand auf, lockerte seinen Körper mit irgendeiner Art Yoga-Bewegung.
»Ich sage: Bringen Sie die Schwester um.«
Ich hatte auf eine brillante Idee gehofft, einen radikalen teuflischen Plan, der alles regelte und mir, der Wahrheit die Ehre, einen geordneten Rückzug ermöglichte. Sodass ich mich davonmachen konnte, nach Amerika abhauen, wenn schon nicht reinen Gewissens, aber mit einem winzig kleinen bisschen weniger Bammel.
Aber nichts.
Ich hob die Hände in einer nutzlosen Geste, Bedeutung: Mehr fällt Ihnen nicht ein?
Er griff sich in die Tasche, zog ein Pillenröhrchen heraus und warf es mir zu.
»Die werden Sie wollen.«
Ich wollte protestieren, mich entrüsten, die Pillen zurückschmeißen, ein bisschen Würde aufbieten, aber die Pillen waren mir noch wichtiger.
»Danke.«
Er zuckte die Achseln, fragte: »Sie wollen Hilfe?«
Meinte er bei meiner zunehmenden Sucht?
Er sagte: »Sie werden wissen müssen, wo der Feind wohnt, und, machen wir uns nichts vor, das finde ich besser heraus als Sie, ich habe immer noch mein gesamtes Netzwerk.«
Wellewulst würde mir nicht helfen, und auf eigene Faust weiterzustapfen und auf Glück zu hoffen, war auch nicht allzu schlau, also sagte ich: »Ja, das würde ich begrüßen.«
Er lächelte, diesmal sogar mit einer Andeutung von Wärme.
»Es passt Ihnen nicht, sich auf Menschen verlassen zu müssen, stimmt’s, Jack?«
Lügen brachte nicht übermäßig viel, deshalb sagte ich: »Nein. Nein, das passt mir nicht.«
Er ging zu einem kleinen Wandschrank, kramte darin herum, holte eine CD heraus, sah sie stirnrunzelnd an, sagte dann: »Und wenn ich sie finde, und finden werde ich sie, wollen Sie, dass ich dann mitkomme und die Tat mit Ihnen begehe?«
Die Tat?
Bevor ich irgendeinen Kack formulieren konnte, des Sinnes, dass ich das allein tun müsse, sagte er: »Meine Schwester wurde ermordet, und Sie haben mir geholfen. Diese … Menschen … die eine ganze Familie auslöschen … Da habe ich das Gefühl, ich könnte irgendwie zu einem Abschluss kommen, wenn ich denen das Licht ausblase.«
Ich musste fragen: »Stewart, wissen Sie, was Sie da sagen?«
Er war zu einer Entscheidung gekommen, was die CD betraf.
»Ich weiß immer, was ich
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