Jack West 02 - Die Macht der sechs Steine
glitten dann horizontal über die fünf Waggons hinweg, bis sie nur noch kaum mehr als einen Meter über dem ersten Zugteil waren, der vorderen Lok.
Keiner hatte ihre Ankunft bemerkt. Über die Strecke innerhalb des Geländes machten sich die Wachen in Xintan Eins schon lange keine Gedanken mehr. Schließlich hatte es in der Geschichte des Gefängnisses noch nie einen Ausbruch gegeben. So kam es, dass tatsächlich niemand dafür abgestellt war, den Zug zu überwachen, während er die Brücke überquerte.
Die beiden fliegenden Gestalten hatten den Triebwagen erreicht und glitten in niedriger Höhe über ihn hinweg. Im nächsten Moment klappten West und Stretch ihre Flügel ein und landeten auf dem Dach der Lok, perfekt auf beiden Beinen.
Sie mussten schnell handeln. Der Zug hatte mittlerweile schon zwei Drittel seiner kurzen Fahrt zurückgelegt, vor ihnen türmten sich schon die Tore zum Hauptgebäude auf.
West zog seine zwei Desert-Eagle-Pistolen, sprang hinunter auf den Bug der Lok und zerschoss die Fenster der beiden Lokführer.
Das Glas zersplitterte, und West schwang sich durch eines der Fenster in die Führerkabine.
Beide Lokführer waren chinesische Soldaten, die jetzt schreiend nach ihren Waffen griffen. Erreichen sollten sie sie nicht mehr.
Auch Stretch schwang sich nun in die Fahrerkabine. Die beiden Lokführer waren tot, und West hatte schon die Bedienung des Triebwagens übernommen.
»Predator«, schrie West gegen den Wind, der nun durch die zertrümmerten Fenster pfiff.
Stretch entsicherte seine Panzerfaust, schulterte sie und zielte durch die zerschmetterten Fenster.
»Fertig!«, schrie er.
Wie auf Kommando öffneten sich die Tore von Xintan Eins, um den Pendelzug einzulassen.
In diesem Moment drückte West den Geschwindigkeitsregler durch.
Als die Tore sich rumpelnd öffneten, wandten die zwei Züge chinesischer Soldaten, die auf dem Ankunftsbahnsteig warteten, sich um, weil sie erwarteten, dass der gepanzerte Zug die Bremsen betätigen, Dampf ablassen und auf jeden Fall langsamer werden würde.
Was sie sahen, war das genaue Gegenteil.
Der gepanzerte Zug raste mit voller Geschwindigkeit durch die riesige Einfahrt, beschleunigte im engen Torbogen sogar noch und donnerte am Abstellgleis vorbei. Dann schoss eine Rauchsäule aus der zertrümmerten Windschutzscheibe des Triebwagens - der Pulverdampf einer Predator-Panzerfaust, eines Geschosses, das in Luftlinie auf das zweite Tor von Xintan Eins zujagte.
Auf das Ausgangstor.
Die Predator krachte in das Eisentor und explodierte. Eine Wolke aus Rauch und Staub breitete sich in alle Richtungen aus, hüllte den Bahnsteig ein und verhinderte jegliche Sicht.
Das riesige Ausgangstor beulte sich ächzend, der gesamte Mittelteil war verbogen und locker. Mehr brauchte West nicht, und ' schon im nächsten Moment donnerte sein Zug mit atemberaubender Geschwindigkeit hinein und krachte mitten hindurch. Die beiden Tore flogen auf und wurden aus ihren massiven Scharnieren gerissen, während der Zug selbst mit allem, was er hergab, ins graue Tageslicht hinausraste, weg von dem Berggefängnis.
Im ersten Moment waren die Chinesen wie betäubt, umso heftiger war allerdings die Reaktion, als sie dann einsetzte.
Innerhalb von nur vier Minuten stiegen zwei kleine russische Jagdhubschrauber vom Typ Kamov Ka-50, auch Werwolf genannt, von Xintan Eins auf. Sie machten sich an die Verfolgung des fliehenden Zuges. Eine weitere Minute später stieg von Xintan Zwei ein erheblich größerer Helikopter auf. Auch er war russischer Bauart, aber von erheblich besserer Qualität. Es war ein Mi-24 Hind-Kampfhubschrauber, eine der gefürchtetsten Maschinen der Welt, starrend vor Geschützen, MGs, Werfern für chemische Waffen und Raketen. Charakteristisch war sein Cockpit mit zwei Kuppeln. Darüber hinaus besaß er eine Mannschaftskabine, in der jetzt ein Sturmtrupp aus zehn voll bewaffneten chinesischen Soldaten saß.
Sobald er die Gefängnismauern hinter sich gelassen hatte, senkte der Hind seine Nase und donnerte Wests fliehendem Zug hinterher.
Und dann hatten die Chinesen noch eine elektronische Antwort parat.
Zum Komplex von Xintan gehörten zwei Wachhäuser, die einige Kilometer nördlich vom Gefängnis an der Gebirgsbahn lagen. An diesen Wachhäusern musste der Zug vorbei.
Hektisch wurden die Posten in den beiden Wachhäusern antelefoniert, aber seltsamerweise wurde niemand erreicht.
An beiden Außenposten bot sich das gleiche Bild: Die Wachen waren kaltgestellt,
Weitere Kostenlose Bücher