Jackpot - wer traeumt, verliert
Mühe, nach einem Parkplatz zu suchen.
Afrim zeigte seinen Ausweis. »Kann ich behilflich sein?«
Eine Kollegin mit Pferdeschwanz warf die Beifahrertür zu und setzte ihre Mütze auf. »Jemand hat versucht, in eine Wohnung einzudringen, und dabei Morddrohungen von sich gegeben. Eine Nachbarin hat angerufen.«
»Nummer 36, oder?«, fragte der Fahrer des Streifenwagens, der vorausging.
»36 a«, sagte die Kollegin und ging mit Afrim dem Mann hinterher: zum letzten der vier Eingänge, die das Haus hatte. Es war der Eingang, wo das Mädchen heute früh angefangen hatte zu klingeln. »Frau Rünger«, sagte die Kollegin weiter. »Vierter Stock.«
Der Fahrer des Streifenwagens klingelte, und als die Gegensprechanlage anging, nannte er seinen Namen und Dienstgrad. Dann hörten sie den Türsummer, und eine ältere Frauenstimme sagte: »Sie kommen grad recht. Diesmal sans viere. Und der eine hat a Pistoln.«
Afrim folgte den Streifenbeamten die Treppen hoch. Sie bemühten sich, leise zu sein. Im letzten Zwischengeschoss hörten sie: »Siehst du das, du Penner, siehst du das, hm? Damit werd ich dich fertigmachen!« Es war einer der Jungs aus dem Einkaufszentrum. Er hielt eine Pistole vor den Türspion. Der neben ihm sagte nervös: »Okay, die wissen jetzt, dass du’s ernst meinst, lass uns abhauen!«
»Ist die echt?«, flüsterte die Kollegin.
»Sieht echt aus«, sagte ihr Partner.
Sie gingen mit gezogenen Pistolen die letzten Stufen hoch und riefen: »Polizei, Waffe weg, sofort! SO-FORT!!«
Der Schwarze, der sich im Einkaufszentrum mit dem Mädchen unterhalten hatte, reagierte als Erster: »Stopp, stopp, stopp! Die Knarre ist nicht geladen!«
Worauf die Kollegin sagte: »Meine schon!«
24. DEZEMBER
1:26 UHR
In der trockenen Heizungsluft lag der Geruch von Zigaretten, doch Phil entdeckte keinen Aschenbecher in dem Zimmer. Dafür mehrere Brandlöcher im Teppichboden, der vor langer Zeit einmal beige gewesen sein musste.
Phil ging ans Fenster. Man konnte auf den Sexshop gegenüber schauen, wo eine flimmernde Leuchtreklame über dem Eingang Live-Striptease versprach. Ein Taxi schlich sich davor vom Straßenrand zurück in den Verkehr und bog an der Y-förmigen Kreuzung links ab. Hinter der Kreuzung konnte man noch einen Teil des Hauptbahnhofs sehen. Interessante Gegend. Für eine Polizeidienststelle.
»Setz dich, Philip«, sagte die Frau, die sich ihm als Katrin Menschick vorgestellt hatte. Sie drückte auf den Lichtschalter, als sie wieder ins Zimmer kam. Die weiße Neonleuchte an der niedrigen Decke ging aus und im Schein der Schreibtischlampe war das Zimmer nur noch halb so hässlich.
»Ich bleib lieber stehen, bei der schönen Aussicht hier«, sagte Phil lächelnd und zeigte nach draußen auf die Leuchtreklame.
Die Frau zwängte sich an einem Aktenregal aus Metall vorbei, das zu nah an dem schubladenlosen Schreibtisch stand. »Der Sexshop da drüben? Ich bitte dich. Da musst du noch ein paar Monate warten, bis du da reindarfst. Steht jedenfalls in deinem Ausweis.« Die Frau ließ sich auf einem Drehstuhl nieder, hinter dem ein übergroßer München-Stadtplan an der Wand hing.
Phil wandte sich der Frau zu und machte eine ausholende Geste mit den Armen. »Was ist das hier eigentlich?«
Die Frau lächelte hinter ihrem Schreibtisch. »Hat was, oder? Ein Hotel. War’s jedenfalls mal früher. Wir sind hier provisorisch untergebracht.« Sie atmete ein, als hätte sie Schwierigkeiten, genug Luft zu bekommen. Dann deutete sie auf den Stuhl ihr gegenüber. »Na komm.«
Phil blieb stehen. »Krieg ich sonst einen Strafzettel?«
»Nein, aber ich schlechte Laune. Und das wollen wir beide nicht. Ich bin müde. Du wahrscheinlich auch, Philip. Außerdem bin ich schwanger. Weswegen ich mit dem Rauchen aufgehört hab. Aber das ist eine andere Geschichte.« Sie musterte ihn, abwartend. »Wir müssen uns über euch unterhalten, über dich und deinen Bruder, eure Situation.«
Phil setzte sich. »Wo ist er?«
»Im Aufenthaltsraum mit meinem Kollegen, knabbert an einem Döner, keine Sorge. Ich weiß zwar nicht, ob er so spät noch Cola trinken darf – wenn nicht, geht das auf meine Kappe. Aber wir werden hier auch noch eine Weile miteinander sitzen.«
Sie machte eine kurze Pause. Als Phil nicht reagierte, sprach sie weiter: »Gefällt mir übrigens, dein Bruder. Bleibt immer bei seiner Geschichte, ist noch kein Mal gestolpert, man könnte meinen, er sagt die Wahrheit. Und das mit seinen vierzehn Jahren! Ist er Krimifan?
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