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Jackpot - wer traeumt, verliert

Jackpot - wer traeumt, verliert

Titel: Jackpot - wer traeumt, verliert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Knoesel
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für die Alte. Aber was hatte er Chris immer gesagt, als der noch in der Grundschule war? Wenn einer dich Arschloch nennt, und das tut dir weh – dann bist du selber schuld, merk dir das.
    »Unser Vater ist unterwegs«, entgegnete Phil. »Auf Jobsuche.« Er hatte sowieso nicht vorgehabt, der Frau irgendwas zu sagen. Was auch? Aber jetzt würde er erst recht nicht auspacken.
    »Ach ja?«, fragte die Frau. »Wenn du mir irgendeinen Käse auftischen willst, solltest du dich vorher mit deinem Bruder absprechen.« Sie lehnte sich wieder zurück in ihrem Schreibtischstuhl.
    »Also wissen Sie, wo unser Vater ist?«
    »Ich weiß, was dein Bruder mir gesagt hat.«
    »Und warum fragen Sie mich dann noch mal?«
    »Denk mal drüber nach. Na, klingelt’s schon? Weil du jetzt hoffentlich weißt, dass du mir keinen Scheiß erzählen brauchst! Versteh mich nicht falsch, Philip. Ich kann mir denken, wie unangenehm das ist, die Sache mit eurem Vater, und Jobsuche klingt auch viel besser als Säufer auf Entzug. Mir persönlich wäre es auch egal, wie und wo und mit wem – oder mit wem nicht – du mit deinem Bruder haust. Wem das jedoch nicht egal ist, ist das Jugendamt. Bei dir würden sie vielleicht noch ein Auge zudrücken, ich meine, ein paar Monate und du bist achtzehn, was soll’s – aber dein Bruder? Er ist noch vierzehn, Philip. Mit vierzehn reicht es nicht, einen großen Bruder zu haben. Da kannst du dir noch so viel Mühe geben. In dem Alter braucht man ein –« Katrin Menschick malte mit den Fingern Anführungzeichen in die Luft: »Ein Heim! Wenn du verstehst, was ich meine. Jedenfalls denkt das Jugendamt so.«
    Phil fragte sich, ob der Alten klar war, dass sie sich gerade einen Feind machte. »Wollen Sie mir –« Auch er malte jetzt Anführungszeichen in die Luft: »... etwa drohen?«
    »Ich sage dir nur, wie es ist, ganz geradeheraus. Vielleicht ist es dir ja auch egal, wo dein Bruder landet. Vielleicht bist du sogar ganz froh, wenn du ihn vom Hals hast. Jedenfalls muss ich bloß zum Telefon greifen und dein Bruder landet im Heim. Heute noch. Auch wenn heut Heiligabend ist und auch wenn es noch mitten in der Nacht ist.«
    Ja, der Alten war klar, dass sie sich mit ihrer Art keine Freunde machte. Und es war ihr egal. Phil versuchte, die Wut zu unterdrücken, die in ihm hochstieg. So weit kam es noch! »Ist das Ihr erstes Kind?«, sagte er. »Wenn ja, dann mein herzliches Beileid. Können Sie ihm ausrichten, wenn es auf der Welt ist.«
    Katrin Menschick lachte. »Philip, Philip! Oder was sagt dein Bruder? Phil, richtig? Du bist auch nicht ohne. Ich weiß gar nicht, wer mir besser gefällt, du oder dein Bruder?« Sie atmete seufzend aus, als hätte sie gerade über einen guten Witz gelacht. Dann sagte sie: »Aber eins versprech ich dir – wenn dein Bruder mich angelogen hat, dann ist Heim noch das Beste, was ihm droht! Und das sag ich nicht, weil ich so unglaublich böse bin. Sondern weil der Jugendrichter das so sehen wird.«
    Phil musste gähnen, was ihm gerade recht kam. »Ist das jetzt der Moment, wo ich Angst kriege und anfange zu weinen, oder hab ich den schon verpasst? Wenn Sie was von mir wollen, dann sagen Sie’s doch einfach!«
    »Ich will dir einen Vorschlag machen, Phil. Ich geb euch die Feiertage! Aber sobald Weihnachten vorbei ist – und das ist bei mir am 27. Dezember um Punkt acht Uhr früh –, dann will ich das Geld hier auf meinem Schreibtisch sehen. Und kommt mir nicht auf die Idee, euch was abzuzweigen! Dann – und nur dann – vergess ich die Sache mit dem Jugendamt!«
    Phil verschränkte die Arme hinter dem Kopf und stemmte einen Fuß gegen das Schreibtischbein vor ihm, damit er auf dem Stuhl nicht rutschte. »Ich soll Ihnen das Geld bringen? Diese mysteriösen vier Millionen.«
    »Du, dein Bruder, der Weihnachtsmann – es ist mir ganz gleich, wer die alten Zeitungen in diese Tasche gepackt hat. Hauptsache, das Geld liegt pünktlich bei mir auf dem Schreibtisch!«, sagte die Frau und stand auf.
    Chris musste aufpassen, dass ihm der Döner nicht schon beim Kauen wieder hochkam. Aber er gab sich alle Mühe, so auszusehen, als hätte er einen Mordshunger. Um Zeit zu schinden natürlich – die ganze Fragerei war furchtbar nervig. Aber auch, weil es sich vielleicht ganz gut machte: Wenn jemand mit so einem Appetit aß – wer könnte da schon glauben, dass der was auf dem Gewissen hätte?
    »Schmeckt’s?«, fragte der Bulle. Er war höchstens drei, vier Jahre älter als sein Bruder.
    Chris

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