Jackpot - wer traeumt, verliert
nickte. Unter normalen Umständen wäre der Döner auch in Ordnung gewesen. »Danke«, sagte er mit vollem Mund, um noch eine Spur kindlicher rüberzukommen. »Fürs Besorgen.«
»Passt schon«, sagte der Bulle und schaute ihn weiter an wie ein Bilderrätsel, das er noch zu entschlüsseln hoffte.
Chris knüllte die Papiertüte zusammen, in der der Döner gesteckt hatte. Nahm die Serviette vom Tisch, wischte sich Mund und Hände ab. Dann trank er einen Schluck von seiner Cola. »Wie lang wird das hier noch dauern? So ungefähr.«
»Hast du noch Termine?«, fragte der Bulle.
»Es ist immerhin Heiligabend.«
»Erst in …« Der Bulle warf einen Blick auf die schmucklose Uhr an der Wand. »... ungefähr achtzehn Stunden.« Der große Kühlschrank im Eck fing wieder an zu vibrieren. Sein Summen übertönte das Geräusch der Neonleuchte über dem Tisch, die den fensterlosen Raum in ein kaltes, hässliches Licht tauchte.
»Ich hab auch nur gefragt«, sagte Chris und nahm noch einen Schluck Cola.
»Es hängt von dir ab, wie lang es noch dauert.«
Chris drehte die Coladose auf dem Tisch einmal um ihre Achse. Der Typ schien eigentlich ganz in Ordnung zu sein. Aber vielleicht tat er auch nur so. So wie er selber so tat, als wäre er der nette Junge von nebenan. »Ich hab Ihnen doch schon alles gesagt. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft. Fünfmal, sechsmal?«
Der Bulle rieb sich die Augen, Chris war also nicht der Einzige, der hier müde war. »Aber meine Chefin glaubt dir nicht.«
»Ihre Chefin mag mich nicht«, sagte Chris.
»Keine Sorge, da wärst du nicht allein. Aber darauf kommt’s auch nicht an. Ich meine, Chris – da waren alte Zeitungen in der Tasche. Zeitungen!« Der Bulle stand auf und warf den Dönermüll in den versifften Papierkorb. Dann klopfte er einmal fest gegen den Kühlschrank, sodass Chris zusammenzuckte, und der Kühlschrank hörte auf zu brummen.
»Kann ich Sie mal was fragen?«
Der Bulle setzte sich wieder. »Nur raus damit.«
»Was hätten Sie denn an meiner Stelle getan? Ich weiß, Sie sind Polizist, da kommt man wahrscheinlich als Engel auf die Welt, da denkt man an so was gar nicht. Trotzdem. Nur so zum Spaß. Ich mein, da liegt dieses Mädchen im Kofferraum. Allein das ist doch schon absurd. Und dann sagt sie auch noch, ich soll’n Haufen Geld für sie verstecken. Ist das jetzt so ’ne miese Nummer, dass ich mir diese Tasche unter den Nagel reißen wollte? Es war ja anscheinend gestohlenes Geld und nicht so, dass ich da eine Sammelspende für Tsunami-Opfer stibitzt hab!«
Der Bulle warf einen Blick über seine Schulter, um die Entfernung zur Wand hinter sich abzuschätzen. Dann stieß er sich ab und kippte mit dem Stuhl nach hinten, bis die Lehne die Wand berührte.
»Hast du ja auch nicht«, sagte er, »sondern anscheinend hast du da eine Tasche mit alten Zeitungen mitgehen lassen. Wenn es stimmt, was du sagst.«
»Sie verstehen nicht, worauf ich hinauswill, oder? Ich hab gedacht, es ist Geld«, sagte Chris.
»Doch, ich versteh dich schon«, sagte der Bulle. »Du willst wissen, ob ich da vielleicht auch schwach geworden wäre. Hm? Ich bin jedenfalls nicht als Engel auf die Welt gekommen. Da kannst du meine Mutter fragen. Manchmal träum sogar ich davon, dass ich morgens als reicher Mann aufwache.«
Erzähl mir doch keinen Scheiß, dachte Chris und sagte: »Ach ja?«
»Ich spiel ab und zu Lotto. Wenn der Jackpot über zehn Millionen ist. Nur ein Feld. Jedenfalls, dann überleg ich mir, was für ein Auto ich mir zulege. Was für ein Haus ich meiner Mutter kaufe. Und hey – endlich mal erster Klasse fliegen! Vielleicht nach Dubai, ich war nämlich auch noch nie in einem Sieben-Sterne-Hotel.« Der Bulle grinste und musterte Chris.
Chris sagte: »Und, was für ein Auto?«
Der Bulle zögerte einen Moment zu lange, bevor er »Maserati« sagte. Und er sprach gleich weiter, die ersten Sätze eine Spur zu schnell. »Weißt du, dass hier schon mal was Ähnliches passiert ist, gar nicht so lang her? Auf dem selben Autobahnstück sogar. Fallen drei Geldkassetten bei voller Fahrt aus einem Werttransporter. Man möcht’s nicht glauben, aber die Fahrer haben anscheinend die Heckklappe nicht richtig zugemacht. Irgendwann merken sie das, rufen die Polizei, alles wird abgesucht, aber nichts gefunden. Jedenfalls, ein paar Tage später tauchen die Geldkassetten wieder auf. Ein Bundeswehrfeldwebel bringt sie in ein Polizeirevier. Ein paar Tage später! Kein einziger Schein fehlt. Deswegen
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