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Jackpot - wer traeumt, verliert

Jackpot - wer traeumt, verliert

Titel: Jackpot - wer traeumt, verliert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Knoesel
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sie ihren letzten gemeinsamen Familienurlaub verbracht hatten: die langen Stämme der Kiefern auch hier windschief und nackt bis auf Höhe der Hausdächer dahinter; erst ab da wuchsen Äste aus den Stämmen und die Bäume wurden grün. In Italien hatte er damals zwei Wochen lang versucht, seinen Fußball bis über die Wipfel zu schießen, aber nur Phil hatte das geschafft. Chris legte den Kopf in den Nacken und schaute in den blauen Himmel, der zwischen den Baumwipfeln hindurchleuchtete. Für einen Augenblick schien es ihm fast möglich, in der Zeit zurückzugehen.
    Er war natürlich nicht in der Schule gewesen. Er war ans Grab seiner Mutter gegangen. Vor zwei Tagen, als er Sabrina im Kofferraum des Fluchtwagens gefunden und sie ihn gebeten hatte, mit der Geldtasche zu verschwinden, war ihm das als Erstes in den Sinn gekommen: dort die Tasche zu verstecken. Der Friedhof befand sich auf der anderen Seite der Autobahn, über die eine Fußgängerbrücke führte, und war von der Unfallstelle nicht weiter entfernt als die kasernenartige Mietshaussiedlung, wo er wohnte. Man musste nur in die entgegengesetzte Richtung gehen.
    Aber vor zwei Tagen war es noch zu früh gewesen – zwar schon dunkel, aber noch Nachmittag: Das Risiko, auf dem Friedhof jemandem zu begegnen, während er sich mit einer Schaufel an einem Grab zu schaffen machte, war ihm zu groß erschienen. Mal ganz abgesehen davon, dass es sich bei dem Grab um das Grab seiner Mutter gehandelt hätte.
    Also hatte er sich vor zwei Tagen für das Kellerabteil als Übergangsversteck entschieden. Bis ihm beim Aufsperren eingefallen war, dass er ihr Kellerabteil auf keinen Fall benutzen durfte. Sollte man ihn verdächtigen, im Besitz der Beute zu sein, würde man dort auf jeden Fall suchen – und mit dieser Vermutung hatte er schließlich ja auch richtig gelegen.
    Was er gebraucht hatte, war ein Kellerabteil, das man nicht mit ihm in Verbindung bringen konnte, das aber auch möglichst selten aufgesucht wurde. Am besten nie. Es hatte eine Weile gedauert, bis er das Richtige gefunden hatte.
    Chris lachte. Und dann waren in der Tasche nur Zeitungen gewesen! Was hätte er in dem Moment für eine Kamera gegeben! Aber die Gesichter der Bullen würde er auch so nicht vergessen. Ebenso wenig das Gesicht seines Bruders und das von Sabrina. Manchmal konnte das Leben richtig gut sein.
    »Was gibt’s denn da zu lachen?«
    Manchmal. Oft genug trat es einem auch von hinten in die Eier.
    »Also auf den Witz bin ich ja mal gespannt!«, sagte David weiter.
    Chris hatte die Jungs nicht kommen sehen. Sie mussten sich von Baum zu Baum geschlichen haben – und bildeten jetzt ein Dreieck, wie beim Fußball: David ihm gegenüber, Marvin und Yannick links und rechts von ihm, bereit, ihn in die Zange zu nehmen, alle drei etwa fünfzehn Meter von ihm entfernt.
    Vielleicht hätte er ohne Schnee eine Chance gehabt – Marvin wäre er auf jeden Fall davongelaufen, der sah jetzt schon ziemlich fertig aus. Aber David und Yannick waren gute Fußballer, die im Herbst fast täglich auf einem der Bolzplätze hinter den Mietshäusern gespielt hatten, zusammen mit Elom und ein paar anderen.
    Chris blieb nur eines übrig: Er machte auf dem Absatz kehrt und lief zurück Richtung Autobahn – wobei er weniger lief, sondern sich in einer Mischung aus Stapfen und Springen vorwärtsbewegen musste. Dabei nahm er sein Handy aus der Hosentasche, drückte die Tastensperre weg und klickte Phils Nummer an. Er hielt sich das Handy ans Ohr und wagte einen Blick zurück.
    Marvin hatte schon aufgegeben. Dafür hatte David den Abstand zu ihm bereits halbiert. Wie ein bissiger Hund jagte er ihm hinterher.
    Das Freizeichen in der Leitung ertönte. Einmal, zweimal.
    Dann ging Phils Mailbox ran.
    Sabrina fand das Handy am Boden. Sie drückte den Anruf weg, damit Phil auf der ausgezogenen Couch nicht aufwachte. Dann ging sie in die Küche – die genauso klein war wie das Badezimmer. Auch hier konnte so eine Menge Geld eigentlich nicht versteckt sein. Vor allem hätten die Bullen es dann schon vor ihr finden müssen. Die hatten die ganze Nacht gehabt, um die Wohnung auf den Kopf zu stellen.
    Trotzdem – wann konnte man schon absolut sicher sein?
    Vielleicht hatte Matthias das Geld auf der Flucht versteckt.
    Vielleicht aber auch nicht.
    Also machte Sabrina jede Schranktür auf und schaute, so leise es ging, in jeden Kochtopf, hinter jede Pasta- und Müslischachtel, hinter die Milchkartons und die leeren Pfandflaschen, sogar

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