Jackpot - wer traeumt, verliert
entscheiden, wie angenehm die nächsten zehn, zwölf Jahre für Sie werden.«
Der Fahrer – laut Personalausweis, den Afrim noch in der Hand hielt: Matthias Kriebl, vierzig Jahre, geboren in Roding, Oberpfalz, wohnhaft in München-Ludwigsfeld – sagte: »Im Kofferraum!«
»Im Kofferraum sind zwei Taschen«, sagte die Menschick. »Eine mit Kleidung – und was ich ganz interessant finde, nicht nur mit Ihrer, sondern auch mit Frauenkleidung. Was hatten Sie vor mit dem Geld, eine Geschlechtsumwandlung? Anscheinend nicht – denn in der zweiten Tasche befindet sich ein Aldi-Einkauf im Wert von achtundsiebzig Euro laut Kassenzettel. Reiseproviant? Was fehlt, ist das Geld. Vier Millionen.«
»Es ist weg?«, sagte der Fahrer schwach.
»Ich hab es nicht«, sagte die Menschick.
»Dann weiß ich nicht, wo es ist.«
»Wollen Sie etwa sagen, es ist Ihnen – abhandengekommen?«
»Ich sag Ihnen gar nichts mehr.«
Chris ließ sich auf sein Bett fallen – die untere Hälfte eines ausrangierten Bundeswehr-Stockbetts. Er fragte sich, ob er jemals in seinem Leben schon so k. o. gewesen war – er hatte es gerade noch geschafft, seine Jacke auszuziehen. Der Rücken tat ihm weh, Schultern, Hände, Beine – nichts an seinem Körper tat ihm nicht weh.
Sogar sein Hintern tat ihm weh, nachdem er vor der Tür auch noch ausgerutscht war, und nur der Hunger hielt ihn davon ab, sofort einzuschlafen. Ein unfairer Kampf, Hunger gegen Müdigkeit, beide Seiten chancenlos.
Chris raffte sich wieder auf und ging die zwei Schritte zu Phils altem Schreibtisch, den sie sich jetzt teilten, um Platz zu sparen in dem Zwölf-Quadratmeter-Zimmer. Chris zog den Hocker unter dem Tisch hervor. Dann schaltete er das alte Notebook an, das Onkel Willi ihnen besorgt hatte, genauso wie das Stockbett.
In der halben Ewigkeit, die das Notebook brauchte, um hochzufahren, ging Chris in die Küche, öffnete eine Literpackung Milch, bereitete sich ein Müsli, trank die Milch, die er nicht fürs Müsli brauchte, im Stehen auf ex, warf die Packung in den Mülleimer. Dann ging er mit der Müslischüssel zurück ins Zimmer. Wieder am Computer, doppelklickte er auf den Internetbutton und aß, während er wartete. Das Gute an dem Müsli war, dass es neutral schmeckte: Er konnte es jeden Tag essen, im Gegensatz zu allen Pestosorten hing es ihm noch nicht zum Hals raus.
Als der Computer endlich so weit war, hatte Chris bereits aufgegessen. Er überlegte, was er in die Suchmaschine eingeben sollte. Schließlich schrieb er Bankraub München Dezember , fand aber keine Einträge. Er versuchte es mit Raubüberfall München Umgebung , genauso erfolglos.
Dann hörte er, wie die Wohnungstür aufgesperrt wurde: sein Bruder. Chris zögerte kurz – und schaltete den Computer vorsichtshalber wieder aus. Er drehte sich auf dem Hocker um und bemerkte erst jetzt die nassen Flecken im Teppich. Er hatte vergessen, seine Schuhe auszuziehen, Scheiße. Er wusste, was jetzt kommen würde.
Als Phil in der Tür stand, sagte Chris: »Jaja, ich weiß – das ist auch dein Zimmer! Ich zieh sie ja schon aus.«
»Von mir aus kannst du die Schuhe auch anlassen – jetzt sind sie ja trocken!« Phil hängte seinen Rucksack an die Kleiderhakenleiste, die Onkel Willi an der Tür befestigt hatte. »Warst du wenigstens einkaufen?«
»Mir ist was dazwischengekommen.«
Phils Blick wanderte kurz zu dem zugeklappten Notebook, das vor Chris auf dem Schreibtisch lag. »Was denn, irgendein Pornoclip? Dann gib mir das Geld wieder.«
»Und womit soll ich dann einkaufen?«, fragte Chris.
»Um diese Uhrzeit? Nirgends.« Phil kam zu ihm an den Tisch. »Geh mal zur Seite!«
Chris stand auf und überließ Phil den Hocker. »Ich mein morgen. Onkel Willi hat nicht gesagt, dass du über das Geld bestimmst.«
Phil schob den Hocker wieder zurück. »Aber ich sag das – nachdem du letzte Woche im Lidl fünf DVDs gekauft hast, die wir uns nicht leisten können!«
»Die waren im Angebot!«
»Ach ja? Du kannst ja gerne versuchen, sie zu essen, wenn uns die Kohle ausgeht!« Phil fischte den alten Ledergeldbeutel aus der oberen Schreibtischschublade.
»Weißt du, was?«, sagte Chris.
»Was?« Phil zog zwei Fünfeuroscheine aus dem Geldbeutel und ein paar Rabattmarken, mit denen man im Supermarkt irgendwelchen Krempel, den die Welt nicht brauchte, billiger bekam. »Willst du dich mit mir anlegen? Dann würd ich erst mal auf’n Stuhl steigen. Bloß gibt’s hier gar keinen, musst du wohl in die Küche gehen –
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