Jacks Briefe
Sie denkt an Glencoe und hofft, dass dort irgendetwas an die vielen Menschenleben erinnert.
„Ist es weit von hier, ich meine, dieses Tal der Tränen?“, fragt sie und sieht James mit einer traurigen Miene an. „Du möchtest da hin, oder?“, stellt er als Gegenfrage. Sie blickt ihn wortlos, flehend an.
„Gut“, lässt er sich kurzerhand überreden und packt Jacks Briefe ordentlich zurück in die Kiste. „Ich werde sie noch schnell sicher verstauen, bevor wir gehen. Man kann ja nie wissen.“
Er klappt eines der Gemälde in der Bibliothek um und schließt die Kiste in dem dahinterliegenden Safe ein. „So, jetzt kann es losgehen.“ Er lächelt, als er sie mit einer Handbewegung, aus der Tür bittet.
„Ich hoffe du hast noch genug Puste!“, witzelt Jane. Er lacht auf. „Dafür reicht es gerade noch.“ Beide setzen sich ins Auto und nehmen die Straße in Richtung Loch Leven, in dessen Naturschutzgebiet das Tal der Tränen auf sie wartet.
Der Plan
1710
Die Zeit bahnte sich rasch ihren Weg zur kalten Jahreszeit, und als auch die letzten, standhaften Blätter von den Bäumen gefallen waren, hatte der Herbst endgültig Platz gemacht für den Winter. Katelyn saß an ihrem Fenster und erwartete ungeduldig, nicht nur eine Neuigkeit von Jack, sondern auch den ersten Schnee. Die Tage eilten in einem immensen Tempo dahin und hinterließen Katelyn voller Wehmut ohne weitere Nachricht von ihrem Jack. Allmählich verfinsterte sich ihre Stimmung, in der Ahnung, dass sie weder ihn noch ihren Vater, von dem die Familie seitdem, einen und letzten Brief, indem er alle von seinem Einzug in die Armee in Kenntnis gesetzt hatte, dieser Tage zu Gesicht bekam und sie, in der für sie deprimierenden Vorstellung versank, das Weihnachtsfest alleine mit ihrer Mutter verbringen zu müssen.
Die einzige Freude, die ihr in diesen Tagen vergönnt war, war der Besuch von Elisabeth und Adam. Beide hatten sich am Nachmittag zum Tee angekündigt, um ihr von der Verlobung zu berichten und Katelyn war voller Erwartungen. Nicht nur, weil beide bestimmt viel über die nahestehende Hochzeit zu berichten hatten, sondern natürlich, erhoffte sie sich innigst, irgendeine Neuigkeit von Jack, welche Adam vielleicht zu erzählen wusste. Auch wenn Katelyn innerlich einen Funken Neid in sich trug, weil Adam seine Beurlaubung scheinbar ohne Weiteres zugestanden bekommen hatte und Jack nicht, versuchte sie sich diesbezüglich nichts anmerken zu lassen. Dennoch verspürte sie mehr denn je, die Sehnsucht nach ihm, als sie Elisabeth und Adam so vertraut miteinander sah. Sie freute sich für ihre Freundin. Die nie mit einer solch attraktiven Verbindung für sich, gerechnet hatte. Elisabeth entstammte einer eher verarmten Landadelsfamilie. Ihre Mitgift von fünfhundert Pfund war bei Weitem nicht das, was man als äußerst lukrativ bezeichnen würde. Abzusehen war jedoch, dass Adam, durch seine Heirat mit ihr, sämtliche Ländereien rund um Helmsglove, die sowohl den gesamten Besitz der Familie von Elisabeth darstellten, einmal erben würde, da Elisabeth ein Einzelkind und noch dazu eine Frau war. Katelyn war sich jedoch der Tatsache sicher, dass beide in inniger Zuneigung zueinanderstanden und ihnen alles Weitere nicht wichtig war. Für beide war es das größte Glück, sich gefunden zu haben.
Zu Katelyns Enttäuschung klang der Nachmittag aus, ohne dass Adam auch nur ein Wort über Jack verlor. Sie hörte aber schon zu Anfang heraus, dass Adam bereits eine geraume Zeit bei Elisabeth zu Besuch war und aufgrund dessen gar keine Neuigkeiten wissen konnte. Elisabeth versicherte ihrer Freundin, dass sie innerlich keinen Zweifel darüber hegte, dass Jack bald zurückkehren würde, nach Haimsborrow. Katelyn beruhigte dies wenig, dachte sie doch, dass Elisabeth in diesen für sie außerordentlich glücklichen Zeiten, nicht anders konnte, als höchst hoffnungsvoll zu sprechen. Sie zog sich in ihr Zimmer zurück, in dem sie eine seltsame Entdeckung machte. Jemand hatte sich an ihrer Kommodenschublade zu schaffen gemacht und hatte es tatsächlich geschafft, diese aufzubrechen. Das Holz am Griff der Schublade war zersplittert. Jemand hatte schnell und unvorsichtig gehandelt, um etwas zu finden. Katelyn atmete erschöpft aus. Es konnte nur ihre Mutter gewesen sein, dachte sie. Zu ihrer Überraschung waren Jacks Briefe noch da, aber dennoch konnte man deutlich erkennen, dass sie jemand herausgenommen hatte und sie mit aller Sicherheit auch gelesen hatte. Sie
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