Jacks Briefe
lagen unsortiert übereinander und steckten nur halb im Umschlag. „Wie schrecklich!“, sagte Katelyn zu sich selbst. Der Gedanke daran, dass sie nicht einmal in ihrem eigenen Zimmer etwas vor ihr verbergen konnte, engte sie furchtbar ein. Jetzt konnte sie nichts tun, als darauf zu warten, dass ihre Mutter, sie auf die ganze Situation ansprach. Sie hoffte, dass es nicht zu schlimm werden würde, dass diese sie mit dem Interesse dazu befragen würde, wie es eine Mutter tun sollte. Auch wenn Katelyn, dachte, dass es mehr als falsch von ihr gewesen war, einfach ihre Briefe zu lesen, wollte sie in diesen Tagen den wenigen Optimismus, welcher ihr noch geblieben war, nicht schmälern, indem sie sich darüber grämte, was eine Mutter tun, oder nicht tun sollte.
Der Schnee kam am Heiligen Abend und bedeckte das Hochland mit einer funkelnden Schicht aus weißem Gold. Auf Haimsborrow waren alle mit den letzten Vorbereitungen für ein feierliches Fest beschäftigt. Hanna hatte in der Küche aller Hand zu tun, wollte sie doch an diesen einsamen Weihnachtstagen für die Lady und deren Tochter, ein noch nie da gewesenes Festmahl zu deren Aufmunterung zubereiten. Das ganze Haus sah wahrlich prächtig geschmückt aus, als die Sonne sich an diesem Tage langsam vom Horizont verabschiedete und die Glocken der St. Andrews Kapelle, die Menschen zu einem feierlichen Gebet beisammen rief. Katelyn fror auf der Kirchenbank, was ihre Konzentration auf die wie gewöhnlich, zu ausgedehnte Predigt Pater Matthews stark beeinträchtigte. Während Lady Amalias Blick starr nach vorn gerichtet war, ertappte sich Katelyn wie sie den ihren, durch die hohe Decke der Kapelle streifen ließ, sich verträumt die verzierten Schnitzereien der Heiligenstatuen betrachtete und auch, den einen oder anderen Blick auf die Anwesenden riskierte. Plötzlich wurde die Messe durch das Geräusch der schweren Eisentüre, die jemand öffnete, unterbrochen. Katelyn blickte in den weitläufigen Gang. Sie riss ungläubig die Augen auf und hatte Mühe einen Aufschrei der Freude zu unterdrücken. Ihr Vater hatte soeben die Kapelle betreten, mit einem jungen Mann an seiner Seite. Katelyns Herz flackerte tosend auf, als sie sah, wie Jack ihr Lächeln erwiderte. Ungeduldig wandte sie ihren Blick wieder der langatmigen Predigt zu, nachdem sie von ihrer Mutter ermahnend in die Seite gestupst wurde. Es wollte ihr vor lauter Freude nicht gelingen, ihre Beine still in der Bank zu halten. Voller Aufregung wippten diese fast unmerklich, unter ihrem Rock hin und her. Sie musste sich bemühen nicht aufzuspringen, als der Pater endlich seine Predigt abgeschlossen hatte und allen ein gesegnetes Fest wünschte. Eilig, jedoch geziemt, verließ sie die Kapelle, um dann draußen, wo ihr Vater bereits mit Jack auf sie wartete, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Sie begrüßte erst herzlichst ihren Vater, so wie es sich gehörte und reichte dann Jack die Hände. Sie blieben in dieser unauffälligen, doch zärtlichen Berührung und blickten sich tief in die Augen. Katelyn spürte seine Liebe zu ihr, welche in seinem Blick verborgen lag und sie erwiderte diese gänzlich. Von beiden ging ein Glück aus, welches sich nicht länger vor den Menschen verstecken ließ. Lady Amalias Miene hingegen hatte sich verdunkelt. Es war nicht notwendig ihr noch irgendetwas zu erklären. Sie hatte ihre Antworten bereits, auch wenn diese ihr gar nicht gefielen. Die Liebe der Beiden war unverkennbar. Obwohl es vor einer Verlobung nicht gestattet war, öffentlich die Nähe zueinander zu zeigen, konnte sich weder Jack noch Katelyn, der einen oder anderen flüchtigen Berührung, auf dem Weg zum Haus, entziehen. Als Jameson die Tür öffnete, konnte er eine herzliche Begrüßung Sir Williams und Jack ebenso wenig unterdrücken, wie Hanna, die in der weihnachtlichen Hektik, gerade aus der Vorratskammer kam und als sie Jack sah, vor Erstaunen achtlos den Korb mit den Kartoffeln fallen ließ. Peinlich berührt darüber, dass sie sich zunächst scheinbar nur über Jacks Rückkehr gefreut hatte, reichte sie William die Hand und entschuldigte sich nach bestem Wissen. Ihre Reaktion hatte sicherlich damit zu tun, dass sie zu Jack eine Art mütterliche Bindung empfand und weil niemand mehr damit gerechnet hatte, dass er an Weihnachten bei ihnen allen sein würde. William lächelte sie verständnisvoll an, während Lady Amalias Blick das genaue Gegenteil vermuten ließ. „In die Küche Hanna“, mahnte sie ernst, „denken
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