Jacks Briefe
einfacher Soldat sein. Doch der Colonel wird sich deiner annehmen, und wenn du bei ihm einen guten Eindruck hinterlässt, wird er dich schnell um einen Rang erheben. Ich bin so stolz auf dich, mein Sohn.“
Jack lächelte. Er war überwältigt von diesen Neuigkeiten. Sein Traum würde in Erfüllung gehen. Er würde erwachsen sein, als Soldat ist man das nun mal. Endlich konnte er sich Respekt verdienen.
Katelyn, die sich bisher zurückgehalten hatte, verschränkte ihre Arme.
„Wie lange wird er fort sein, Vater?“
William sah erst seine Tochter an, dann Jack. Er ahnte, dass es für beide nicht leicht sein würde, auf einmal ohne den Anderen auskommen zu müssen. Sie waren ein Herz und eine Seele.
„Nun“, begann er, „die Grundausbildung beträgt in der Regel ein paar Monate und je nach Rang, den er erhält, wird er in irgendeine große Stadt rekrutiert. Du wirst sehen Jack, dich erwartet eine gute Zeit. Ich selbst war in Wick. Also natürlich würde ich mich freuen, wenn du auch dort stationiert werden würdest. Du könntest in meine Fußstapfen treten, schließlich werde ich auch nicht ewig leben.“
Jacks Augen verrieten seine Rührung.
Lady Amalias Blick aber verfinsterte sich, sie ließ das Messer mit einer solchen Wucht auf ihren Teller fallen, das dieser zerbrach.
„Mein lieber William“, begann sie und blickte dabei strafend um sich, „du denkst doch nicht im Ernst, dass die Königin jemanden wie ihn zum Befehlshaber eines Regimentes macht. Ein Clan Junge. Absolut undenkbar!“
Jack starrte verletzt zu Boden, während William schwieg, wohl wissend, dass sie wahrscheinlich recht hatte. Plötzlich stand Katelyn wütend von ihrem Stuhl auf, ging zu ihrer Mutter, die am anderen Ende des Tisches saß, nahm deren gefülltes Wasserglas und schüttete es ihr ins Gesicht. „Mutter, du widerst mich an“, sagte sie kühl, dann lief sie hinaus.
„Katelyn!“, rief William ihr hinterher. Doch sie hörte ihn gar nicht. Sie rannte in den Garten, über die Hügel, in den Wald hinein, zu der Ruine. Tränen rannen ihre Wangen hinab. Sie war so entsetzt darüber, dass ihre Mutter so etwas sagte. Wie konnte sie nur? Sie schämte sich für sie. Sie wollte nicht länger ihre Tochter sein. „Wer möchte schon so eine Mutter?“, dachte sie und trat wütend nach einem herumliegenden Stein. Katelyn wischte sich hastig die Tränen aus dem Gesicht. Sie wollte nicht wegen so eines Menschen weinen. Das war sie nicht wert. Hatte sie denn, in all den Jahren, indem Jack nun bei ihnen war, ihn kein bisschen lieb gewonnen, so wie eine Mutter es tun würde? Ihr Vater konnte es, er liebte Jack. Was ja auch nur verständlich war, denn Jack war einfach etwas Außergewöhnliches. Doch als sie an ihn dachte, wurde ihr auch bewusst, dass er schon bald nicht mehr bei ihnen sein würde. In ein paar Tagen würde er von hier fortgehen und sie würde ihn für eine lange Zeit nicht sehen. Bei dem Gedanken ging es ihr nicht gut. Was würde sie tun ohne ihn? Ohne seine Geschichten? Ohne die gemeinsame Zeit mit ihm? Wer würde für sie da sein, wenn nicht er? Wer würde sie zur Vernunft rufen, wenn sie es damit mal wieder nicht sehr genau nahm. Jack bedeutete alles für sie und sie überlegte, ob die Tränen die sie vergoss, womöglich gar nichts mit ihrer Mutter zu tun hatten. Jack würde am Montag nach Aberdeen fahren. Schon bald würde ihr Debütantinnenball sein. Sie beide würden erwachsen werden und dann endgültig getrennte Wege gehen. Das wollte sie nicht. Dieser Gedanke war unerträglich für sie.
Von Ferne hörte sie das Donnergrollen eines Gewitters, welches sich in einem rasanten Tempo näherte. Der Himmel verdüsterte sich, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Kühl regnete es zuerst vereinzelte, weiche Tropfen, die schnell übergingen in eine prasselnde Regenflut.
Katelyn suchte Schutz unter der alten Weide, die inmitten der Ruine stand. Grelle Blitze zuckten über sie hinweg. Unwillkürlich hielt sie sich die Ohren zu, als sich der Donnerschlag mit lautem Gebrüll über das Land verteilte. In dem schallenden Getöse, welches der plötzliche Wetterumschwung mit sich brachte, hörte sie wie jemand ihren Namen rief. Die Stimme näherte sich und irgendwann erkannte sie eine Gestalt, die auf sie zukam.
„Jack!“, rief sie erleichtert und fiel ihm in die Arme. Er war von oben bis unten klitschnass. Sein dunkles Haar lag in Strähnen über seinem Gesicht.
„Alle suchen nach dir“, erklärte er und strich ihr sanft
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