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Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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die Schulter und brachte ihn in den Keller. Jeden Tag fand ein neuer voller Sack den Weg dorthin. Da er nie welche herausholte, mussten sich dort inzwischen jede Menge dieser Säcke angesammelt haben, in denen etwas steckte, was mich immer neugieriger machte. Kartoffeln waren es nicht, die er bunkerte, denn eines Tages, als wir anstießen, blinzelte etwas schmutzig Weißes daraus hervor. Ersah es, stopfte es wieder zurück und schnürte den Sack fester.
    Erst abends kam er aus dem Keller, zwischendurch holte er sich höchstens ein-, zweimal frisches Wasser vom Brunnen und kehrte zurück, ohne mich weiter zu beachten. Das einzige Zeichen, das er dort unten eine langwierige Arbeit verrichtete, war ein leises, metallisches Scheppern, als ob er etwas Hartes in einen Eimer fallen ließ.
    Als die Sonne unterging, kam er hoch, bürstete sich den Staub und Dreck von der Kleidung und ging zum Fluss, wo meist Gigi am anderen Ufer auf ihn wartete. Sie waren wie ein eingespieltes Team oder noch mehr wie Verschwörer. Nicht immer verstand ich, was der Pope ihm zurief, aber wenn ich etwas verstand, so waren es nur Zahlen: null, eins, zwei, selten auch drei. Das Ritual dauerte nur wenige Augenblicke, Gigi nickte, und der Pope kehrte sichtlich zufrieden zum Haus zurück.
    Mitte April setzte er sich länger zu mir und stellte den Schnaps zwischen uns. Der Pope roch streng, denn er wusch viel lieber und mit viel größerem Eifer seine verborgenen Schätze als sich selbst. Doch dieser Geruch, der auch in den Kleidern steckte, die er mir ausgeliehen hatte, war mir inzwischen vertraut wie sein Schnarchen, das nachts durchs Haus dröhnte und das mich ebenso beruhigte wie das Ticken der Wanduhr oder das Rauschen des Flusses.
    Er räusperte sich und musste mehrmals ansetzen, bis er sagte: «Jacob, gibt es jemanden, den ich benachrichtigen muss? Vielleicht wartet man irgendwo auf dich.»
    «Niemand wartet auf mich.»
    «Willst du mir nicht ein wenig erzählen, woher du kommst?»
    «Glauben Sie mir, Popa Pamfilie, das wollen Sie nicht wissen.»
    «Ich weiß bereits, dass du Schwabe bist und dass im Winter Züge nach Russland vorbeigefahren sind. Hat das etwas mit dir zu tun?»
    «Ich heiße Jacob mit
c
. Ich bin kein Schwabe, und ich bin nie einer gewesen. Ich habe nur unter ihnen gelebt.»
    «Der Gendarm hat nachgefragt. Die Zeiten haben sich geändert, bald werden hier die Kommunisten das Sagen haben. Das weiß auch er, und er wird deshalb die Seiten wechseln. Jetzt schnüffelt er herum, um sich bei den Roten zu empfehlen.»
    Mit der Vorstellung, wieder in einem Viehwaggon zu landen, vor Augen, sprang ich auf, ging ins Haus und begann hektisch das wenige, das ich besaß, zusammenzupacken. Ich ließ mich vom Popen nicht besänftigen, sondern huschte an ihm vorbei, zog meinen Pullover an und nahm den Weg zum Fluss. Ich stürmte auf ihn zu, als ob ich der Einzige wäre, der ihn bezwingen könnte. Im Winter erst hatte ich ihn herausgefordert und ihm dann mein Leben doch noch entrissen. Diesmal aber war der Fluss mächtiger.
    Er hatte seinen Höchststand erreicht und donnerte unüberhörbar durchs Dorf. Der Baumstamm, der als Brücke diente, wurde vom Wasser überspült. Ich machte trotzdem einige Schritte darauf, rutschte immer wieder aus, und es fehlte wenig, dass ich ins Wasser gefallen wäre. Der Pope, der hinter mir hergelaufen war, flehte mich an, mit dem Unsinn aufzuhören und mich nicht erneut zu gefährden. Am anderen Ufer hatte sich inzwischen eine kleine Menschenmenge gebildet, die mir gespannt zuschaute.
    Inzwischen lag mir offenbar etwas an meinem Leben, und ich kehrte ans Land zurück, als sich die Brücke als uneinnehmbar erwies. Wutentbrannt und mit gehobener Faust empfing mich der Pope, packte mich am Ärmel und rüttelte mich kräftig durch. «Ich habe dich nicht gerettet, damit du dich jetzt umbringst! Ich habe noch etwas mit dir vor!», rief er. Er drehte sich zu unseren Zuschauern um, lächelte sie an und winkte ihnen zu, dann fügte er hinzu: «Wir gehen ins Haus zurück, wir fallen hier zu sehr auf. Ich habe einen Vorschlag.»
    Er deckte den Tisch fürs Abendessen, auf dem Ofen köchelte eine Suppe mit Lammfleisch, das er für eine Taufe bekommen hatte. Er segnete die Speisen, schenkte uns ein, dann setzte er sich hin. Zum Rauschen des im Dunkeln gehüllten Flusses gesellten sich jetzt die Essgeräusche von Popa Pamfilie, der seine Suppe durch die dünnen, im Bart kaum sichtbaren Lippen schlürfte.
    Hin und wieder brach er

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