Jacob beschließt zu lieben - Roman
lang im Kreis bewegt und die Mühlsteine der alten Dorfmühle angetrieben hatte. Es kannte nur diese Welt, in der es so lange im Kreis gegangen war, bis es nur noch Haut und Knochen war. Wenn man nicht aufpasste, blieb es mittendrin stehen, wie ein alter Mensch, der vergessen hat, was er eigentlich tun wollte.
Ich war beim gleichmäßigen Schaukeln auf dem Pferderücken eingeschlafen, wie auf einem Schiff auf hoher See. Das Pferd war stehen geblieben und hatte friedlich an den Körnern in seinem Futtersack herumgekaut. So fand mich Vater vor. Damals hob er das erste Mal die Hand und schlug mir auf den Kopf.
Dann, mit neun Jahren, nahm er mich mit zu den Feldarbeiten. Obwohl sich Großvater und er inzwischen die anstrengende Arbeit hätten sparen können, bestanden sie darauf, sich weiterhin selbst um ihre Erde zu kümmern. Wie ihre Landarbeiter standen sie um fünf Uhr auf und marschierten aufs Feld, wo sie manchmal bis zum Abend blieben. Am Mittag brachte Mutter ihnen allen das Essen.
Es war die Zeit des Heumachens, die Frauen und Kinder halfen aus, so gut sie konnten, und das Dorf war von der Morgendämmerung bis zum Abend fast leer. Trotz der Proteste Mutters und Großvaters, die mich noch für viel zu klein hielten, weckte er mich eines Morgens in aller Frühe und bestand darauf, dass ich mich der Kolonne anschloss, die zu den Feldern aufbrach. Dort stellte er mich auf einen Pferdekarren, hielt mir eine Heugabel hin, die um einiges größer war als ich, und wollte, dass ichwie die anderen das Heu auf der Ladefläche verteilte. Es dauerte nicht lange, und er musste einsehen, dass ich damit überfordert war. Unter allgemeinem Gelächter schickte er mich wieder nach Hause.
Später, als ich elf war, wollte er meine Muskeln stärken und trieb mich schwer beladen durch den Hof, bis meine Knie nachgaben und ich unter dem Gewicht des kleinen, aber randvoll gefüllten Fasses oder eines frisch geschlachteten Schweins zusammenbrach. Er stand am Fenster und spornte mich an: «Das kannst du besser. Steh auf.»
Großvater saß in einer Ecke des Hofes und wandte ein: «Lass doch den Jungen in Ruhe. Er ist nicht dafür gemacht.»
«Wenn ich nur wüsste, wofür er gemacht ist», zischte Vater. «So überlebt er nicht einmal seine Jugend.»
«Er hat bisher alles überlebt. Er ist ja noch da, daran wird sich so schnell nichts ändern. Du bringst ihn mit solchen Übungen um.»
Als Vater auch diesmal einsehen musste, dass er keinen Erfolg hatte, sondern nur mein Leben gefährdete, änderte er seine Strategie. «Vielleicht kannst du keine körperliche Arbeit erledigen, aber das können andere übernehmen. Hauptsache, du kennst dich mit dem Geschäft aus.»
Er begann mich nach Temeschwar, zum Hafen und zu seinen Geschäftspartnern mitzunehmen, die er in den Wirtshäusern rund um den Josefsplatz traf. Er war der Meinung, dass es nie zu früh sein könnte, sich List und Geschäftssinn anzueignen. Ich saß mit einer Limonade vor mir neben ihm in dunklen, rauchigen Räumen, wo lange Verhandlungen stattfanden. Zuerst wurde die eigene Ware angepriesen, dann wurden die hohen Preise bedauert, und alles fing von Neuem an. Zum Schlusswurde das Geschäft per Handschlag besiegelt. Wenn wir hinausgingen, flüsterte mir Vater zu: «Den haben wir jetzt ausgenommen.» Oder: «Der hat uns über den Tisch gezogen, der Teufel.»
Wir waren auch oft am Hafen, wo er mich an Bord der Schiffe aus Österreich mitnahm, während seine Leute unsere Tiere, unser Getreide oder Gemüse aufluden, die später die Bäuche der Menschen in Wien füllten. «Wenn es uns nicht geben würde, würde der Wiener hungern und könnte kaum Krieg führen», pflegte er zu sagen.
Durch den Krieg war alles komplizierter und unsicherer geworden, doch Vater hatte einen Rohstoff anzubieten, der im Krieg gesuchter und teurer war als im Frieden: Nahrung. Vater entdeckte bald, dass ich mich auch dafür nicht eignete. «Wenn ich nur wüsste, was ich mit dir anfangen soll», murmelte er immer wieder. Er ließ mich wieder öfter zu Hause, während er für Tage oder Wochen verschwand. Manche meinten, dass er Geschäfte anderer Art hatte, solche mit wohlklingenden weiblichen Namen.
Jeden Samstag begleitete ich Großvater auf den Wochenmarkt, wo er Geflügel, Ferkel, Kälber und manchmal sogar – aber widerwillig – ein Fohlen verkaufte. Von seinen Pferden trennte er sich ungern, er bestand darauf, die Höfe genau kennenzulernen, auf die seine Tiere kommen sollten. Wenn ihm jemandes
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