Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
nicht! Du hast nie etwas für mich getan! Ramina schon!», schrie ich sie an und lief in den Hof. Aus dem Geräteschuppen holte ich einen leeren Sack und stopfte ihn mit allem voll, was ich in der Speisekammer fand, und dazu mit zwei Hühnern. Weil ich den Sack nicht mehr heben konnte, zog ich ihn auf die Gasse und dann den ganzen Weg bis zu Ramina. Ich gab sogar dann nicht auf, als ich keuchte, als ob der ganze Himmel auf mir lastete. Mit letzter Kraft schob ich meine Last über die Schwelle zu ihrem Haus, dann ließ ich mich auf das Sofa fallen.
    «Ich habe dir zu essen gebracht, Ramina. Hühner, Kartoffeln, Zwiebeln, Rüben. Du sollst immer mehr als genug haben.» Sie sprach mit sich selbst, als sie aus dem Nebenraum herauskam. Als sie mich sah, wurde sie nicht wütend, sondern setzte sich neben mich und zog mich an sich. Das immer dünnere Licht des Abends drang hinein.«Was du mir immer erzählst, sind doch nur Geschichten, nicht wahr, Ramina?», fragte ich mit dem Kopf auf ihrem Bauch.
    «Wer behauptet das?»
    «Mutter», antwortete ich.
    «Soll sie doch sagen, was sie will.»
    Ich hörte die Geräusche aus Raminas Bauch wie von einem unterirdischen, nur mir zugänglichen Kontinent. Ich hob leicht den Kopf, dann senkte ich ihn wieder, so wie ich es nachts tat, wenn meine Herzschläge der einzige Laut in einer stillen, auf sich selbst zurückgefallenen Welt waren.
    «Wie hast du mich gesund gemacht?», fragte ich sie nach einer Weile, und sie begann zu lachen.
    «Meinst du, dass das etwa auch erfunden ist?»
    Sie schob meinen Kopf beiseite, stemmte sich hoch, doch sie brauchte mehrere Anläufe, bis sie sicher auf ihren dicken, unförmigen Beinen stand. Wankend ging sie zur Truhe, die neben dem Sofa das einzige Möbelstück im ganzen Raum war. Sie bedeutete mir, zu folgen und die Truhe zu öffnen. Darin lagen unzählige Tüten, die zugeschnürt waren. Sie forderte mich auf, zwei davon mitzunehmen, dann kehrten wir zum Sofa zurück, wo sie sie aufband und vorsichtig zwischen uns leerte. In einer befanden sich die Stiele, Wurzeln und Blättern ihrer Heilpflanzen, in der anderen waren die zerhackten oder zermalmten Pflanzenteile.
    «Du hast Glück, dass ich dir das zeige, sonst lasse ich niemanden daran.»
    «Wie bei den Sachen, die du nebenan versteckst?»
    «Frag nicht so dumm. Das hier ist alles, was ich damals gebraucht habe. Und frischen Knoblauch natürlich. DiesePflanze hier heißt
Gottes Fleisch
. Wer sie achtlos pflückt, stirbt oder verliert den Verstand. Bei dir war sie gut, um deine Säfte zu beruhigen. Man findet sie nicht überall, sie versteckt sich vor dem Menschen. Die andere wird
Die Feder des Fliegers
genannt. Man findet sie an trockenen, steinigen Orten, und ihre Blüten riechen nach Honig. Man sagt, dass sie einen Kopf wie ein Mensch hat und herumläuft, ohne Wurzeln, aber mit zwei Flügeln und einem Schwanz. Man muss sie bitten und ihr versprechen, dass man sie nicht gegen ihre Natur verwendet, sonst tut sie gar nichts. Wer sie aber besitzt, der zieht das Geld an, findet Schätze und versteht die Tiere. Sie hat deiner Leber und deinen Lungen geholfen.»
    Bald verlor Ramina das Interesse an ihren Erklärungen, schob alles zurück in die Tüten und befahl mir, sie wieder zurückzulegen. Bevor ich die Truhe schloss, holte ich noch aus einer anderen Tüte etwas, das wie Baumrinde aussah, heraus.
    «Wofür ist das gut?», fragte ich.
    «Du magst deutsch sein, Jacob, aber für mich bist du nur ein
Gadžo
. Ein Nichtzigeuner, also unrein. Jedes Mal, wenn du weg bist, verbrenne ich ein wenig davon, um meine Hütte von dir zu reinigen. Jetzt husch mal nach Hause, und sag deinem Vater, dass ich morgen zu euch komme. Ramina hat noch nicht das letzte Wort gesprochen.»
    Es regnete stark, als ich in der Dunkelheit heimwärts ging. Ich war noch nie so spät unterwegs gewesen. Durchnässt und jederzeit zur Flucht bereit, eilte ich auf das Dorf zu, das sich, anstatt sich zu nähern, mit jedem meiner Schritte immer weiter von mir zu entfernen schien. Der Regen prasselte nieder, verbissen und laut, ein dichterVorhang aus Wasser, das alles bis auf die Sünden auswaschen konnte. So kam es, dass ich das sich nähernde Auto nicht hörte und erst in letzter Sekunde zur Seite springen konnte. Vater, der aus der Stadt zurückkam, hielt an, öffnete die Tür und ließ mich einsteigen.
    «Was tust du hier um diese Zeit?», fragte er mich.
    «Ich war bei Ramina, sie und Sarelo werden an den Bug geschickt.»
    «Es musste

Weitere Kostenlose Bücher