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Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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auch mein ganzes Gold.»
    Leise wurde die Tür wieder zugemacht, dann kehrte Vater mit langsamen Schritten an den Tisch zurück. «Gold? Seit Jahren lebst du von unseren Gaben, Ramina. Das einzige Gold, das du hast, steckt in deinen Zähnen», erwiderte Mutter. Aber sie täuschte sich.
    Ihr Mann, der Bulibaşa, erzählte Ramina, hatte seinganzes Vermögen in Gold angelegt. Tausende von Franz-Josef-Talern, die er in den Rädern und dem Boden seines Planwagens versteckt hatte. Er fuhr, arbeitete und schlief auf seinem Reichtum und ging nur ins Haus, um zu essen oder wenn Ramina seine Säfte wieder einmal in Schwung bringen sollte.
    Als er dann Ramina verlassen wollte und seine neue junge Frau schon auf dem Pferdewagen auf ihn wartete, hatte sie ihm mit der schlimmsten Waffe neben jener, ihn mit Monatsblut zu berühren, gedroht. Mit der Einberufung einer
Kris
, einer Versammlung aller seiner Zigeuner, die ihn nicht nur hätten ausschließen, sondern seinen Namen und die Erinnerung an ihn für alle Zeiten aus ihrer Gemeinschaft hätten verbannen können. Vor solch eine Alternative gestellt, die schlimmer war als der Tod, hatte Raminas Mann ihr das ganze Gold überlassen.
    Als der Bulibaşa sich dann davongemacht hatte, hatte die Wut Ramina doch noch überwältigt, und sie hatte sich entschieden, ihn, wenn schon nicht die stärkste Waffe, dann die zweitstärkste spüren zu lassen. Sie hatte sich von einer anderen Zigeunerin ein mit Monatsblut durchtränktes Tuch geben lassen und war ihnen nachgeeilt, aber die beiden waren wie von der Erde verschluckt.
    Seit sechzehn Jahren lagerte das Gold in Raminas Haus, in jenem Raum, den ich nicht betreten durfte, in Seifen versteckt, die sie mit unserem Fett angefertigt hatte. In jeder Seife steckten zwei, drei Taler, Ramina hielt das für sicher, denn jeder Einbrecher hätte sie bloß für eine Seifenhändlerin gehalten.
    Die Rede hatte ihre Wirkung nicht verfehlt, und ich versuchte, mir die verdutzen Gesichter meiner Eltern und Großvaters vorzustellen. Alle schwiegen sehr lange, undwenn jemand dazu ansetzte, etwas zu sagen, brach er sein Vorhaben gleich wieder ab. Die Pendeluhr tickte weiter, ein leises, fast unmerkliches Geräusch, als ob sie rücksichtsvoll sein und die Menschen nicht mehr als nötig stören wollte.
    Erst nach einer Weile meldete sich Vater wieder mit einer viel weicheren, fast samtigen Stimme: «Wir könnten schon heute Nacht alles rüberbringen und im Stall vergraben.»
    «Solange ich noch dort wohne, kommt mir keiner ins Haus. Ihr seid alle unrein, das geht nicht. Aber danach könnt ihr tun, was ihr wollt. Die Soldaten werden sich nicht um einen Haufen Seife kümmern. Außerdem, woher soll ich wissen, ob Sie dann noch Wort halten? Kommen wir ins Geschäft, gnädiger Herr?» Vater antwortete nicht, er muss ihr einfach zugenickt haben, dann wurde wieder Schnaps eingeschenkt.
    «Sag uns jetzt auch den zweiten Grund, Ramina. Nur so aus Neugierde», verlangte Großvater.
    «Das wollt ihr lieber nicht hören. Es hat ja auch so geklappt.»
    «Doch, doch, sag es nur ruhig», ermutigte Mutter sie.
    «Also gut, wenn ich es jetzt nicht sage, dann habe ich bald keine Möglichkeit mehr dazu. Aber macht zuerst die Tür zum Zimmer von Jacob zu. Er braucht es nicht zu wissen.» Eine unsichtbare Hand drückte die Türklinke herunter. Sosehr ich mich auch bemühte, vom restlichen Gespräch hörte ich bloß ein Flüstern, unterbrochen von Mutters Seufzern. Das zweite Argument, das für Sarelo sprechen sollte, erfuhr ich erst nach vielen Jahren.
    Am Tag, als Ramina für immer aus meinem Leben verschwand, war ich nicht dabei. Ich war zu Hause gelassenworden, weil ich immer noch krank war. Mutter kam als Erste zurück, setzte sich an den Bettrand und legte mir prüfend die Hand auf die Stirn.
    «Wo sind die anderen?», fragte ich.
    «Sie laden alles auf unseren Pferdewagen auf. In der Nacht bringen sie es nach Hause.»
    Mutter erzählte, dass in aller Frühe mehrere Lastwagen gekommen waren, eine halbe Kompanie mit ihrem Hauptmann. Niemand hatte ihnen gesagt, dass der Hügel bis auf Ramina von den Zigeunern aufgegeben worden war. Sarelo saß bereits zwischen Vater und Großvater auf dem Pferdewagen, als hätte er immer schon dorthin gehört.
    Der Hauptmann hatte sich ratlos umgesehen, dann hatte er Vater gefragt, wo denn die Zigeuner, die er abtransportieren sollte, geblieben seien. Vater hatte ihm erklärt, dass außer Ramina keiner mehr da sei und dass man sich bei ihr

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