Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
so kommen. Dann hat sich das Problem von allein gelöst, sonst hätte ich dir den Umgang mit ihnen verbieten müssen. Er bringt nur Schande über uns», sagte Vater.
    «Kannst du ihnen nicht helfen? Du kennst so viele Leute.»
    «Ich tue nichts für eine Zigeunerin, da kannst du hundert Mal betteln.»
    «Ich werde alles tun, was du sagst. Ich werde sogar Geschäftsmann werden, wenn du es willst!», rief ich.
    Nun bremste er abrupt und wandte sich an mich. «Hör gut zu, mein Junge. Dafür ist es zu spät. Du bist nicht fürs Geschäft gemacht. Ich habe beschlossen, dich nach Temeschwar in die deutsche Schule zu schicken. Deshalb war ich jetzt auch in der Stadt. Ich halte nicht viel vom Geschwätz der Gebildeten, aber vielleicht ist das etwas für dich.»
    Mutter ging besorgt vor der Haustür auf und ab, und als sie mich sah, klatschte sie in die Hände und rief: «Jesusmariaundjosef!» Das sagte sie immer, wenn sie Angst hatte, wie auch, wenn sie sich empörte, es war ihr Allerweltsspruch. Sie führte mich ins Haus, zog mich aus und trocknete mich mit einem Handtuch ab. Dann schob sie mir zwei warme Ziegelsteine unter die Bettdecke undbrachte mir etwas zu essen. «Bei solchem Wetter darfst du doch nicht raus, sonst holst du dir den Tod. Jetzt sprich mir das Gebet nach», sagte sie, aber ich winkte ab. Sie packte meine Handgelenke und führte meine Hände zusammen. «
Ich bin klein, mein Herz ist rein
», setzte sie an. «Aber ich bin nicht mehr klein», widersetzte ich mich. «Vor Gott sind wir es alle. Jetzt zusammen:
Ich bin klein, mein Herz ist rein. Es soll niemand drin wohnen als Gott allein. Vater, lass die Augen dein über meinem Bette sein

    Ich sprach ihr nach, dann deckte sie mich zufrieden bis zum Kinn zu, küsste mir die Stirn und flüsterte: «Wenn du Fieber kriegst, schicken wir nach Neper. Damit kennt er sich aus. Gute Nacht, Jacob.»
    * * *
    Am nächsten Tag stieg Ramina von ihrem Hügel hinunter, ein großes Ereignis für das Dorf, wo sie seit Jahren nicht mehr gesehen worden war. Seit der Zeit, als sie mich geheilt hatte. Und wie damals stützte Sarelo sie nach Kräften. Hinzugekommen war ein Stock, den ihr Sarelo geschnitzt hatte und den sie jedes Mal wuchtig in den Boden rammte.
    So wie der Kraftkünstler Fischer wurde auch sie von allen Seiten bestaunt. In meiner Erinnerung bebte sogar die Erde, als sie sich dem Haus näherte, und das Glas, in das Mutter Nepers Medizin geschüttet hatte, wanderte über den Tisch. Als sie sich vor unserem Tor ausruhte, blieb es kurz vor der Tischkante stehen. Als sie sich wieder in Bewegung setzte und in den Hof trat, fiel es doch noch vom Tisch.
    Ich lag fiebrig in meinem Bett und konnte nur durch den schmalen Türspalt verfolgen, was sich in der Stubeabspielte, wo Vater, Mutter und Großvater sie empfingen. Sarelo war vor der Tür geblieben. Ich stellte mir vor, wie sie sich auf den solidesten Stuhl setzte und sich das Kopftuch lockerte, bevor sie nach mir fragte.
    «Ist Jacob krank? Er ist bei starkem Regen weggegangen. Braucht er mich?»
    «Neper hat für alles gesorgt. Wieso bist du hier, Ramina? Was ist so wichtig, dass du den Hügel verlässt?», fragte Großvater.
    «Verlassen muss ich ihn sowieso, Großvater. Sie haben recht, es ist etwas Wichtiges. Aber schenkt doch Ramina vorher ein wenig Schnaps ein. Es ist so kalt draußen.» Sie trank alles auf einmal aus, stellte ich mir vor, und wischte sich mit dem Ärmel den Mund ab. «Übermorgen werde ich abgeholt und nach Transnistrien gebracht. Da komme ich nicht mehr lebendig weg.» Ihre Stimme wurde rau wie Schmirgelpapier.
    «Du kriegst dort ein Haus, Ramina, wie du noch nie eines gehabt hast. Die Juden haben gute, solide Häuser. Es heißt, dass man sie euch überlässt», versuchte Großvater sie zu trösten.
    «Ich habe etwas anderes gehört, Großvater. Vor Kurzem hat mich einer besucht, der von dort geflüchtet ist. Er hat erzählt, dass er früher nicht gewusst hat, wo die Hölle ist, aber dass er es jetzt weiß. Er hat erzählt, dass sie mit ihren Pferdewagen in eine menschenleere Gegend gebracht worden sind, wo man ihnen befohlen hat, sich in die Erde einzugraben, wenn sie den Winter überleben wollten. Ihr Bulibaşa hat protestiert und verlangt, dass man ihnen die versprochenen Judenhäuser gibt, aber die Soldaten haben ihn nur ausgelacht. Dann sind sie abgezogen, und die Leute waren sich selbst überlassen. Sie habenFrauen mit Kleinkindern, Schwangere und Alte dabeigehabt, und viele sind schon

Weitere Kostenlose Bücher