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Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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untergingen, waren auch die Schiffsleute vorsichtig. Man musste unter Umständen wochenlang auf die Weiterreise warten.
    Weil sich nur wenige eine Herberge leisten konnten,waren die Straßen mit schlafenden oder vor sich hindösenden Leuten verstopft, die neben ihrem Proviant und Gepäck saßen, das nicht selten nur aus einem Beutel bestand.
    Frédéric hatte auch andere Sorgen, denn der Emissär hatte ihm verschwiegen, dass er eine Frau brauchen würde. Ab Regensburg, spätestens aber ab Engelhartszell, beim Eintritt in das Kaiserreich, wurden nur noch Eheleute durchgelassen. Wo aber war in so kurzer Zeit eine Frau zu finden, die bereit wäre, ihn zu heiraten, wenn schon in all den Jahren keine Einzige dazu bereit gewesen war? Welche Frau wäre nicht bloß unverheiratet, sondern auch noch willens, für ihr östliches Glück nicht nur eines, sondern gleich beide Augen zu schließen? Frédéric befürchtete, dass seine Reise, noch bevor sie so richtig angefangen hatte, schon wieder zu Ende war.
    In den ersten Tagen seiner Ankunft hatte er gesehen, wie mitunter bis zu achtzig Leute auf einem der ungeteerten, roh gezimmerten Schiffe Platz genommen hatten. In der Mitte wurden die Sensen, Sägen, Äxte und Kessel, die Matratzen und was sie sonst noch mit sich führten, übereinandergestapelt, kleine Käfige mit Hühnern wurden ebenso an Bord gebracht wie Schafe und Schweine, die zwar festgebunden wurden, aber kaum zu beruhigen waren. Dann kam der wenige Proviant dazu, den sie sich hatten leisten können, oft nur etwas Zuckerbrot.
    Manche Schiffe waren durchgekommen, von anderen hieß es, sie seien untergegangen. Doch wie gerne wäre auch er dabei gewesen, denn die Aussicht, zurückzukehren und nach armseligen Zigeunern zu jagen, war nicht besonders verlockend im Vergleich zum versprochenen Glück. Manchmal, wenn er hungerte, erinnerte er sich anden Fluch der Zigeunerin, aber nur wie an ein verblasstes Ereignis ohne Bedeutung.
    So saß er am Ufer der Blau und war ratloser denn je. Im Hof eines Färberladens stand ein Mann und tauchte Tücher in einen Kessel voller roter Farbe. Darunter loderte ein Torffeuer. Frédéric ging zu ihm und schaute ihm eine Weile zu. «Bruder, kennst du keine Frau, die in den Osten will und einen Mann braucht?», fragte ihn Frédéric. Doch er musste seine Frage mehrmals wiederholen, bis der Färber ihn verstand.
    «Eine Frau kenne ich nicht, aber ich kenne einen, der vielleicht Arbeit für dich hat», antwortete dieser, nachdem er aufgehört hatte zu lachen.
    Mehrere Monate lang arbeitete Frédéric als Torfstecher außerhalb von Ulm. Sein Herr bezahlte ihn nicht, aber er gab ihm genug zu essen und ein Dach über dem Kopf. Oft stand er unter der sengenden Sonne in der Grube, stach die Torfklötze aus der lehmigen Wand und reichte sie an einen anderen weiter, der sie auf eine Schubkarre lud. Dann fuhren sie den Torf aus und legten ihn zum Trocknen auf eine Wiese, später wurden die Klötze gewendet. Danach begann alles von vorne. Die Arbeit war so langweilig, und sie sprachen so wenig miteinander, dass er genug Zeit hatte, über seine Zukunft nachzudenken.
    Bald wäre der Sommer vorüber, Regen und Nebel würden einsetzen, im Winter würde die Donau an manchen Stellen zufrieren, und die Schiffsfahrten würden ausgesetzt werden. Er hatte nur bis zu den ersten Herbststürmen eine sichere Arbeit, danach musste er sehen, wie er seinen knurrenden Magen zufriedenstellen konnte. Das Banat, der eigene Hof und Acker, die Zukunft als reicherBauer rückten in fast unerreichbare Ferne. Oft lag er nachts wach auf seinem Strohlager und bereute seinen Entschluss. Ihm schienen nun sogar sein armseliges Haus und die Zigeunerjagd besser als das magere Leben, das er hier führte, umgeben von Menschen, die er kaum verstand.
    Zweimal in der Woche wurde der Torf in die Stadt gefahren und als billiger Brennstoff an Bäcker und Ziegelmacher verkauft. Normalerweise erledigten sie die schwere Arbeit zu zweit, aber an jenem Tag, als er seine künftige Frau treffen sollte, lag der zweite Arbeiter betrunken auf seinem Lager. Man schickte Frédéric allein los.
    Er fuhr gerade am Dom mit den unfertigen Türmen vorbei. Er hatte vor dem prächtigen Chorgestühl mit den aus Eichenholz geschnitzten Köpfen von Propheten, Weisen und Heiligen oft gebetet, dass endlich eine heiratsfähige Frau seinen Weg kreuzte. In jenem Augenblick verließ ein älteres Paar mit seiner Tochter den Dom, und die Leute gerieten, vielleicht noch in

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