Jaeger
dann.«
Die Schwestern und der diensthabende Arzt waren im Zimmer gewesen, Infusionen waren kontrolliert, Monitore inspiziert und Tests durchgeführt worden. Das volle Programm, angefangen bei der fast forensisch anmutenden Analyse diverser Tabellen bis hin zu einem Test, bei dem ein Finger vor seinen Augen hin- und herbewegt wurde, um seine Reaktionsfähigkeit zu überprüfen. Irgendwann hatte der Arzt erklärt, dass er zufrieden sei, und Phil sich selbst überlassen. Phil hatte Fragen gestellt, doch die einzige Antwort, die er bekommen hatte, war, dass er sich schonen solle.
Sich schonen – das war noch nie seine Stärke gewesen. Und zu tun, was andere ihm sagten, erst recht nicht.
»Ich muss … aufstehen …« Er versuchte sich aufzurichten, aber jede noch so kleine Bewegung tat höllisch weh. Er sackte in die Kissen zurück.
Die Schwester überprüfte gerade sein Krankenblatt. »An Ihrer Stelle würde ich mich lieber nicht bewegen. Zumindest jetzt noch nicht.«
»Ich kann nicht einfach hier rumliegen …«, murmelte er und unternahm einen erneuten Versuch, sich aufzusetzen.
Sie maß ihn mit einem Blick. »Lassen Sie das. Sie müssen sich ausruhen.«
Er schüttelte den Kopf. Es fühlte sich an, als schwämme sein Gehirn in einer Schüssel voller Wasser. »Ich kann nicht … Was ist denn überhaupt passiert? Sagt mir mal jemand, was … hier eigentlich passiert ist?«
»Ja, ich.«
In der Tür stand DCI Franks. Die Krankenschwester drehte sich zu ihm um. »Es tut mir leid, aber Mr Brennan darf noch keinen Besuch bekommen, bis –«
Er hielt seinen Dienstausweis hoch. »Ist schon gut, junge Frau. Berufliche Angelegenheit.«
Widerstrebend ließ die Krankenschwester ihn eintreten. »Dann lasse ich Sie zwei mal allein«, meinte sie und verließ das Zimmer.
Franks nahm auf einem Stuhl neben dem Bett Platz und rückte ganz nah an Phil heran. »Wie fühlen Sie sich?«
Phil versuchte mit den Schultern zu zucken. »Ging mir schon mal besser. Alles … tut weh.«
»Bekommen Sie genügend Schmerzmittel?«
»Kann mich nicht beklagen«, erwiderte Phil matt.
»Gut.« Franks sah sich um, als müsse er sichergehen, dass sie unter sich waren. Dann senkte er die Stimme. »Was hat man Ihnen gesagt?«
»Nichts. Niemand sagt … mir irgendwas. Wo ist … Marina?«
»Dazu kommen wir gleich. Vorher muss ich noch kurz über etwas anderes mit Ihnen reden.«
Phil runzelte die Stirn, während sein von Schmerzen und Betäubungsmitteln vernebelter Verstand versuchte, auf die Bedeutung hinter Franks’ Worten zu kommen. »Was …?«
»Zuallererst: Die Ärzte sagen, Sie werden sich vollständig erholen. Keine bleibende Schädigung des Gehirns. Na ja, nicht mehr als jetzt auch schon.« Franks lachte über seinen Scherz.
»Ha, ha …« Phil betastete seinen Kopf und fühlte einen Verband. Dann fiel ihm auf, dass seine Hände ebenfalls verbunden waren. Er strich über die Verbände und spürte darunter Unebenheiten und Schwellungen, die bei der Berührung schmerzten. »Wie sehe ich aus?«
»Wie ein Ölgemälde«, sagte Franks. »Irgendwas von Picasso.«
»Wohl einen … Clown gefrühstückt heute.«
»Oder Frankenstein.«
»Wie lange … wie lange war ich weg?«
»Nur etwa einen Tag. Nicht allzu lange.«
»Einen Tag … das geht ja noch. Ich hatte schon befürchtet, Sie würden sagen, dass es Jahre waren. Was ist denn passiert?«
»Woran können Sie sich noch erinnern?«
»An gar nichts.«
»Das Cottage? Aldeburgh?«
Phil zog angestrengt die Brauen zusammen. Bei Franks’ Worten löste sich ein Teil seiner Erinnerung aus der schwarzen Masse seines Unterbewusstseins und trieb langsam auf die Oberfläche zu. »Ja, das Cottage … Wir sind übers … Wochenende nach Aldeburgh gefahren.«
»Genau. Also …« Franks’ Miene wurde ernst.
Phil musterte ihn. Er kannte diesen Gesichtsausdruck. Professionelle Anteilnahme. Es war das Gesicht, das Polizisten aufsetzten, kurz bevor sie aus ängstlichen Angehörigen trauernde Angehörige machten. »Was … was ist passiert?«
»Das Cottage … Es gab eine Explosion.«
Phil schwieg.
»Don wurde …« Franks seufzte schwer. »Don ist dabei ums Leben gekommen.«
Phil warf die Decke zurück und versuchte die Beine auf den Boden zu bekommen. Es kostete ihn enorme Anstrengung, und er war sofort außer Atem.
»Was soll das werden?«
»Ich stehe … auf …«
»Sie werden nichts dergleichen tun.«
»Ich kann … hier nicht einfach liegen bleiben …«
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