Jaeger
gelangweilte Mann zuckte die Achseln. »Von mir aus.« Und widmete sich wieder seiner Zeitschrift.
Lisa sah auf Mike hinab. Dieser Hass in ihren Augen, diese Wut. Unglaublich. Wenn sie so war wie jetzt, dann war der Sex hinterher jedes Mal atemberaubend. Er begehrte sie noch immer, selbst nach allem, was sie ihm angetan hatte.
»Hast du jetzt deine Lektion gelernt?«, schrie sie ihn an. »Willst du immer noch andere Frauen ficken? Ja, Mike? Muss ich dich noch mal daran erinnern, mit wem du verheiratet bist?«
»Nein«, stieß er mühsam hervor. Er erkannte seine eigene Stimme gar nicht wieder. »Es tut mir leid. Du … du hast deinen Standpunkt deutlich gemacht, und ich tu’s nie wieder. Komm, lass … lass uns nach Hause gehen …«
Lisa nickte, holte aus und rammte ihm in einer blitzschnellen Bewegung die Faust unters Kinn. Sein Kopf flog zurück, Blut und Speichel spritzen. Gott, das tat weh. Aber nicht so sehr wie das Mal davor, fiel ihm auf. Sie wurde langsam müde. Ihre Wut verrann genauso wie ihre Zeit.
Sie trat einen Schritt zurück und betrachtete ihn mit schiefgelegtem Kopf.
»Das wär’s«, verkündete sie, ohne sich umzudrehen. »Ich bin fertig.«
Mike sah auf. »Es tut mir leid … Lass uns … Hilf mir hoch, und wir … wir vergessen das Ganze, okay?«
Lisa ignorierte ihn.
Der Mann im Anzug erhob sich und warf ihr ein Handtuch zu. »Mach dich sauber. Wir erledigen den Rest.«
Verwirrt sah Mike Dillman zu, wie seine Frau den Raum verließ. Der Mann legte sein Heft auf den Stuhl und musterte den übel zugerichteten Mann. »Wärst wohl besser nicht fremdgegangen«, meinte er. Es klang weder anklagend noch schadenfroh, es war lediglich eine Feststellung. »Tja, das hast du jetzt davon.«
»Ja«, ächzte Mike. »Ich mach’s garantiert nicht wieder.« Er versuchte seine Arme zu bewegen. Sie schmerzten. Er musterte den Mann durch geschwollene Lider. »Sie … Sie lassen mich doch jetzt gehen, oder?«
»Wir müssen nur noch ein bisschen saubermachen«, erwiderte der Mann im Anzug und zog sich in eine dunkle Ecke zurück. Er machte eine Handbewegung, woraufhin sich von der hinteren Wand ein Schatten löste. In Mikes zerschundenem Gesicht spiegelte sich Erstaunen.
Dann Angst.
Der Schatten kam auf ihn zu. Es war ein riesiger Mann mit kurzgeschorenen Haaren in T-Shirt und Jeans. Die Hosenbeine hatte er sich unten in die Stiefel gesteckt. Seine Körpergröße war gewaltig, aber das war nicht der Grund, weshalb Mike ihn so fassungslos anstarrte. Der Grund war seine Haut. Sie hatte die Farbe von Rauch, von Schatten. Sie war grau.
»Wer … wer ist das?«
»Für uns ist er der Golem«, erklärte der Mann im Anzug in geschäftsmäßigem Ton. »Für dich ist er der letzte Mensch, den du auf dieser Welt sehen wirst.«
Die Worte des Mannes drangen nur langsam zu Mike durch. Er begann zu zittern. Auf einmal waren die Schmerzen wie weggeblasen, sein einziger Gedanke galt der Flucht, dem Weiterleben. Er hörte Schreie. Merkte, dass es seine eigenen waren. Schrie immer weiter.
»Tut mir leid, Kumpel«, sagte der Mann im Anzug. »Nicht meine Entscheidung. Sie hat für das Komplettpaket bezahlt. Erst darf sie sich an dir auslassen, dann entsorgen wir dich. Und Schreien bringt nichts. Der Raum hier ist schalldicht. Nimm’s wie ein Mann, okay?«
Der Golem kam näher. Mike schrie.
Der Golem streckte die Hände nach ihm aus. Dann hielt er inne, als ein Klingeln durch den Raum hallte.
Gott sei Dank, dachte Mike, Gott sei Dank …
Der Mann im Anzug runzelte die Stirn. Der Golem fasste in seine Hosentasche.
»Ich muss rangehen«, sagte er, zog ein Handy hervor und warf einen Blick aufs Display. Er sprach Englisch mit starkem Akzent.
Er hielt das Telefon ans Ohr und wartete. Mike starrte ihn mit offenem Mund und angehaltenem Atem an.
»Jetzt? … Wo? … Honorar? …« Er nickte. »Gut.« Steckte das Handy wieder ein.
»Ich will dich ja nicht hetzen, Kumpel«, sagte der Mann im Anzug. »Aber um sieben kommt der Nächste.«
»Kein Problem«, antwortete der Golem in seinem seltsamen Englisch. »Dauert nur Sekunden.«
»Nein«, sagte Mike. »Nein, nein, nein …«
Der Golem umschloss seinen Nacken mit einer riesigen Hand. Mike starrte ihm in die Augen und erwartete, darin … irgendetwas zu sehen. Irgendetwas . Sein Leben, wie es an ihm vorüberzog. Doch er sah nichts. Nur leere graue Löcher.
Nein, dachte er, das ist nicht fair. Ich kann nicht … nein. So darf mein Leben nicht enden. Das
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