Jäger der Dämmerung
beschleunigt und Jude überleben.
Vielleicht.
Nein, nein, er würde auf jeden Fall überleben!
Der einzige Grund, weshalb er noch atmete, war der, weil er sich vom Tiger zum Mann gewandelt hatte. Jede Verwandlung wirkte heilend. Könnte er also noch eine schaffen …
Dann hätte er eine Chance.
»Wandel dich, Jude.« Sie schlang die Arme um ihn. »Wandel dich!«
Sein Herzschlag wurde schneller, doch sein Kopf sank nach vorn.
Erin hielt ihn noch fester.
Ein Knurren stieg in seiner Brust auf.
»Ruf einen Notarzt!«, befahl Zane.
Dees Schritte donnerten, als sie die Treppe hinauflief.
Falls er sich nicht wandelte …
Weiches, dichtes Fell streifte ihre Haut.
Erin kniff die Augen zu. Ja, Tränen .
Das Knacken der Knochen war scheußlich, doch sie umklammerte ihn noch fester. »Kämpfe.«
Schneller, schneller. Sein Herz raste in doppelter Geschwindigkeit.
Erin öffnete die Augen und sah das weiße Fell und den langen, sehnigen Körper des Tigers.
»Meine Fresse!«, rief Zane. »Ich wusste doch, dass der Kerl sich nicht so leicht unterkriegen lässt!«
Nein, nicht so leicht. Nicht ihr Jude.
Er kippte zitternd gegen sie, und abermals verschwammen die Umrisse des Tigers.
Hoffentlich reichte es, dass er überlebte.
Eine halbe Ewigkeit verging. Der Tiger verschwand, und an seiner Stelle blieb der schwer verwundete Mann.
»Jude?«
Langsam hob er den Kopf und blickte sie verwirrt an. »Erin?«
Ihr Lächeln fühlte sich an, als würde es ihr das Gesicht spalten. Zu breit, zu … ach, egal! Erin küsste ihn.
Und er erwiderte ihren Kuss.
Er war zurück.
Sie hob ihren Mund nur Millimeter von seinem. »Mach das ja nicht nochmal mit mir, Tiger!«, hauchte sie. Endlich, endlich war sie nicht zu spät gekommen.
Er lächelte matt. »Glaub mir, das … hab ich nicht vor.«
Sie strich mit beiden Händen über seinen Rücken, wo sie die Wunden immer noch ertasten konnte, doch sie waren nicht mehr so tief. Er blutete deutlich weniger. Ja, die Verwandlung hatte gewirkt.
Jude würde ihr nicht wegsterben.
»Du bist ein unverwüstlicher Mistkerl, Gestaltwandler.« Zane pfiff. »Einen Moment lang dachte ich echt, du hast es hinter dir.«
Jude verzog das Gesicht. Er war nackt und zitterte. »Für … einen Moment … dachte ich das auch.«
Genau wie sie.
Dees Schritte polterten die Treppe hinunter. »Hilfe ist unterwegs. Er soll nur durchhal…«
Erin drehte sich rechtzeitig um, dass sie sah, wie Dee stolpernd stehenblieb, zweimal blinzelte und grinste. »Wandler!«
Wäre er keiner, hätte er niemals überlebt.
Erin versuchte, sich ein wenig zurückzulehnen.
»Erin, warte, du bist verletzt!«
Ja, aber darum musste er sich keine Gedanken machen. Ihr Kratzer war nichts, verglichen mit seinen Wunden. »Ist schon okay.«
»Kannst du dich nicht verwandeln und damit diese Blitzheilung in Gang setzen?«, fragte Zane. Der Dämon, den er von Jude weggezerrt hatte, lag gefesselt zu seinen Füßen. Wie gut, dass Zane seine Handschellen dabei hatte – Spezialhandschellen für Andere , wie Erin vorhin in seinem Wagen gesehen hatte. Sie waren aus einem speziellen Titan. »Du verlierst ziemlich viel Blut.«
Sie hatte mehr Blut verloren, als ihr lieb war, aber ihre Wunde begann schon zu heilen.
Jude ergriff ihren Arm, hob ihn hoch und betrachtete ihn genauer. »Du … musst dich nicht wandeln.« Seine Stimme klang kräftiger. Sehr gut.
Erin schüttelte den Kopf. Nein, bei ihr waren die besonderen Heilkräfte nicht an die Wandlung gekoppelt, was ein Glück war, denn sonst wäre sie ein zu leichtes Opfer.
Er blickte zu ihr auf. »Ich habe gesehen … was du getan hast.«
»Tja, ich konnte wohl schlecht zulassen, dass sie dich umbringen«, sagte sie heiser. Sie wollte nicht daran denken, was sie mit diesen Männern gemacht hatte. Nein, Dämonen, keine Männer. Sie waren nicht menschlich.
»Du bist nicht … schwach.« Er atmete tief ein. »Du bist die … nächste Stufe, richtig? Der nächste Schritt in der Evolution der ganzen verfluchten Art. Du brauchst dich nicht zu wandeln, weil du alle Kräfte in menschlicher Gestalt besitzt.«
Sie stutzte. Die nächste Stufe? Der Mann musste vom Blutverlust umnachtet sein. Sie war nun wirklich nichts Besonderes. Weit gefehlt!
»Donovan!« Die Tür oben an der Treppe flog knallend auf. Rufe waren im Hintergrund zu hören, doch Antonio übertönte sie alle. »Donovan, bist du da unten?«
»Die Hilfe ist da«, murmelte Dee.
»Die Cops? Oh Mann«, sagte Zane kopfschüttelnd.
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