Jäger der Dämmerung
fragte Zane. Er war natürlich mit ihr ins Gericht gekommen und hatte sich in die erste Reihe gesetzt.
Und jetzt war sie heilfroh, dass er hier war. Erin schüttelte den Kopf. »Nein, irgendwas stimmt nicht …«
Der Gerichtssaal verschwand.
»Zane?« Das konnte doch nicht wahr sein!
Schwarze Wände. Gelächter. Fauchen.
Erin blickte verschwommen hin und her, wollte etwas erkennen.
Ein Tiger, überall Blut auf seinem weißen Fell. Männer attackierten ihn mit Messern, hieben auf ihn ein, schlitzten ihn auf.
Der Tiger fiel. Sein Kopf schlug auf dem Boden auf. Eine Blutlache bildete sich um das gefallene Tier.
Der Pelz löste sich auf. Sonnengebräunte Haut erschien. Ein Mann mit blondem Haar, über und über voller Wunden. Er regte sich nicht. Er atmete nicht.
Mehr Gelächter.
»Zu verdammt einfach.«
»Ich dachte, er will den Wandlermistkerl lebend.«
»Egal, wir kriegen unser Geld.«
»Das sollten wir wohl auch.«
Die Augen des Mannes waren offen – blau und leer. Gar nicht wie Judes.
Überhaupt nicht wie Judes. Nicht mehr.
»Erin!« Ihr Kopf schnellte nach hinten. Zane schüttelte sie sehr fest. »Erin, was ist? Kannst du mich hören?«
Sie schlug die Lider auf, und der Gerichtssaal war wieder da. Sie lag auf dem Boden. Zanes Fingerspitzen bohrten sich in ihre Arme, und er hockte vor ihr, tiefe Sorgenfalten in den Mundwinkeln. »Jude.«
»Nein, ich bin’s, Zane.« Er hob den Kopf und rief: »Hey, ich brauche hier Hilfe!«
Sie packte sein Hemd vorn und riss ihn zu sich. »Wo ist Jude?« Ihre Zähne wollten hilflos aufeinanderschlagen, deshalb biss Erin sie zusammen.
Todesträume. Wie sie die hasste!
Jude!
Wie lange war sie weg gewesen? »Wo ist er?« Das war fast geschrien. In einem Gerichtssaal! Aber was scherten sie die Regeln.
»Ähm«, machte Zane und sah hinab. »Deine Krallen schneiden mich.«
»Er ist in Schwierigkeiten.« Vollkommen sicher. Zu spät. Immer zu spät. Lee war noch im Krankenhaus. Immer noch im Koma, weil sie zu spät gewesen war. Und ihr Vater starb, weil sie zu spät gewesen war.
Verfluchte Träume! Warum, warum suchten die sie heim, wenn sie sowieso nichts tun konnte?
Nicht Jude. Nicht er!
»Was?« Der Dämon schüttelte den Kopf. »Hör mal, du bist verwirrt. Bist ganz schön mit dem Hinterkopf aufgeknallt.« Er zog eine Grimasse. »Ich konnte dich nicht mehr rechtzeitig abfangen. Atme ein paar Mal tief durch, dann wird’s schon wieder.«
Nein, würde es nicht. »Wenn du mir nicht sofort sagst, wo er ist, ist Jude tot!«
Endlich schien er ihr zuzuhören. Sie sah seinen Adamsapfel hüpften. »Du … kannst du …«
»Hellsehen, weißt du noch?« Ihr fehlte die Zeit für ausführliche Erklärungen.
»Jude ist auf der Jagd.« Er richtete sich auf, zog Erin hoch, und nun beschwerte er sich nicht über ihre Krallen.
»Wo?« Halt durch, Jude, bitte, halt durch! Sie durfte ihn nicht verlieren.
Nein, das würde sie nicht.
Immer zu spät.
Verdammt!
Zane holte sein Handy heraus und tippte eine Nummer ein. Seine Wangenmuskeln zuckten, während er wartete. Und wartete.
Erin trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Er könnte sterben.
»Dee! Dee, wo ist Jude? Was? Nein, ich hab keine Zeit, sag mir einfach wo das ist!« Seine Augen weiteten sich. »Jamestown? Sicher? Scheiße!« Er beendete das Gespräch.
»Zane?« Da war so viel Blut.
Ich verliere ihn nicht!
»Er ist in einer Dämonenhöhle in Jamestown«, sagte Zane. »Wir können da nicht hin. Du kannst unmöglich …«
Jamestown. Erin drehte sich um und rannte auf die Doppeltüren zu.
»Warte! Du findest die Höhle nicht. Du könntest nie …«
Erin, die bereits die Tür aufgerissen hatte, zögerte. Eine Dämonenhöhle. Sie wandte sich um. »Du kannst sie finden.«
Er wurde sehr blass.
»Wenn du es nicht machst, ist er tot.«
»Scheiße!« Er rang die Hände. »Dann auf in die Hölle.«
»Eine Dämonenhöhle ist wie ein Crack-Haus.« Zane blickte auf das dunkle Gebäude vor ihnen. »Nur viel, viel übler.«
Erin war eigentlich egal, wie schlimm dieses Haus war. Ja, es sah wie das letzte Dreckloch aus, aber wenn Jude da drinnen war, holte sie ihn raus. »Bist du sicher, dass es hier ist?«
»Jaja. Dee hat gesagt, dass er einer Spur zu deinem Stalker gefolgt ist.«
Jude würde ihretwegen sterben. Ihr Pulsschlag dröhnte in ihren Ohren.
Nein! Nicht meinetwegen!
Erin sprang die rissigen Stufen hinauf.
»Warte! Die haben bewaffnete Türsteher. Haben sie immer in diesen Löchern. Er
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