Jäger der Dämmerung
»Hast du sie gerufen, Dee? Die Polizei?«
»Ich habe 911 gerufen«, antwortete sie, als Antonio auch schon die Treppe hinuntergelaufen kam. Wie es klang, waren mindestens ein Dutzend Männer hinter ihm. »Ich hab ihnen gesagt, dass wir einen verwundeten Polizisten haben.«
»Er ist kein Polizist!«, sagte Zane, der sich mit einer Hand übers Gesicht rieb und dann die Dämonen betrachtete, die überall auf dem Boden verteilt lagen. »Ich hasse solche beschissenen Dämonenhöhlen!«
»Tja, nun ja, Jude ist auch nicht menschlich, und das vergaß ich ebenfalls zu erwähnen.«
»Donovan!« Antonio sprang die letzten Stufen hinunter. »Was zum Henker war hier los?«
Jude stemmte sich auf und schwankte ein wenig, sobald er auf den Beinen war. Erin umarmte ihn, um ihm Halt zu geben, so gut sie konnte.
»Ein Hinterhalt«, erklärte Zane. »Wer hätte gedacht, dass diese von Drogen verblödeten Idioten so was überhaupt zustande bringen?« Ekel schwang in seinen Worten mit. Nein, nicht bloß Ekel, sondern auch … Hass?
»Der da«, sagte Jude und wies auf den Dämon in Handschellen, »ist definitiv nicht auf Droge.«
»Oh, Mann, Jude, du bist splitternackt!«, rief Antonio aus und kehrte ihm den Rücken zu. »Willst du mich blind machen oder was?«
Hinter ihm stand eine ganze Riege von Polizisten, männliche wie weibliche. Auch einige Rettungssanitäter waren bei ihnen. Erin stellte sich rasch zwischen Jude und die anderen. Nicht, dass es Jude kümmerte, wer ihn nackt sah, aber sie durchaus.
»Wo sind denn seine Sachen?«, fragte einer der Officer.
Antonio stemmte die Hände in die Seiten. »Wir sind hier in einem Crack-Haus, weiß der Geier, was die Junkies wollten? Vielleicht haben sie ihm die Klamotten vom Leib geschnitten, weil sie dachten, er hat irgendwo Stoff versteckt.«
Der Mann war wahrlich geistesgegenwärtig, und seine Erklärung klang überzeugend, zumal Judes Kleidung in einem unordentlichen Haufen weiter rechts lag. »Dee«, rief Erin leise, um die andere Frau auf sich aufmerksam zu machen. Dee arbeitete mit Jude, was nicht unbedingt bedeutete, dass sie von den Ersatzsachen in seinem Wagen wusste.
»Bin schon unterwegs«, sagte Dee sofort und lief zur Treppe. »Ach, Tony, ich will dir ja nicht erzählen, wie du deinen Job machen sollst, aber mit all dem Anderen -Kram hier unten wäre es vielleicht besser, wenn ihr euch verzieht, oder?«
Er nickte. »Bishop, Peters, guckt nach, wie übel diese Mistkerle Donovan zugerichtet haben. Der Rest zurück nach oben. Sichert den Block und sorgt dafür, dass sich keiner von den Junkies verdrückt, ehe ich mit denen fertig bin.«
Dee wollte an ihm vorbei, doch er hielt sie zurück. »Nächstes Mal darfst du mir gerne vorher sagen, in was ich hier reinmarschiere!«
»Dazu war keine Zeit«, erwiderte sie gelassen. »Ich dachte, er stirbt.« Sie blickte zu Jude zurück. »Er lag auch im Sterben, und da musste ich zusehen, dass die Kavallerie schnellstmöglich anrückt.« Dann stürmte sie die Treppe hinauf den Polizisten nach.
Die Sanitäter kamen zu Jude.
»Nein, ist schon okay. Ich brauche keine …«
»Flickt ihn zusammen, und dann nichts wie raus!«, wies Antonio die Männer an.
Der Erste von ihnen, auf dessen Namensschild »Bishop« stand, schluckte. »Wir müssen ihn ins Krankenhaus schaffen.«
»Kein Krankenhaus«, knurrte Jude.
»Du hast den Mann gehört«, konterte Antonio.
»Er könnte innere Blutungen haben. Und er hat sehr viel Blut verloren. Es kann …«
»Schnappt euch Nadel und Faden und näht alles, was größer ist als eure Hand. Um den Rest müsst ihr euch keine Sorgen machen.«
Ein guter Rat. Offenbar kannte er sich aus. Judes innere Verletzungen dürften bereits heilen, und sein Körper glich den Blutverlust von allein aus. Weiße Tiger verfügten über erstaunliche Heilkräfte. Falls die Geschichten stimmten, heilten sie schneller als alle anderen Gestaltwandler.
Die oberflächlichen Wunden brauchten am längsten, bis sie vollständig verschlossen waren. Gestaltwandler heilten von innen nach außen. Mutter Natur setzte eben klare Prioritäten, und sie kümmerte sich zuerst um Herz, Lunge und die anderen inneren Organe.
»Du kämpfst teuflisch gut, Erin«, raunte Jude leise.
Die Sanitäter fingen an, ihn zusammenzunähen.
Erin rang sich ein Lächeln ab und trat einen Schritt zurück, um den beiden Helfern nicht im Weg zu sein. »Du auch.« Hätte er nicht so hart gekämpft, so lange, wären sie niemals rechtzeitig bei ihm
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