Jäger der Dämmerung
gemacht. Zwei Hälften, die ein vollkommenes Ganzes ergeben.«
Sie blickte auf die Hand und musste an Burrows‘ blutige Leiche denken. »Wir gleichen uns kein bisschen.« Sie rührte sich nicht. Dies war nicht der Zeitpunkt für einen Angriff. Noch nicht.
Er kam näher und strich ihr über die Wange. »Ich musste warten, bis ich alle Hindernisse aus dem Weg geräumt hatte.«
Wohl eher: alle ermordet. Erin atmete kaum noch.
Eine scharfe Kralle drückte seitlich gegen ihr Gesicht. »Vollblüter halten sich immer für so verflucht überlegen. Ich musste den Tieren zeigen, wie sehr sie sich irren. Jeden Tag musste ich kämpfen, mir meinen Weg durch das Rudel freischlagen.«
Ein Alpha. Ihre Mutter hatte gesagt, dass ihr Liebhaber der Alpharüde im Rudel gewesen war. Alphas sind die blutrünstigsten Wölfe. Die gefährlichsten.
»Sie haben nie verstanden, was wir sind«, fauchte er. »Beknackte Idioten!«
Sie schluckte. »Und was sind wir?«
Die Kralle drang in ihre Haut, schnitt in ihren Muskel. »Die nächste Entwicklungsstufe. Wir können in unserer Menschengestalt stark sein. Wir müssen nicht auf den Wolf warten. Wir können töten und besiegen, wie wir sind. Verdammt, wir können die Welt regieren! Wir müssen nicht auf die Wandlung warten. Wir besitzen unsere Macht jederzeit.«
Sie hob das Kinn und wusste, dass das, was ihr übers Gesicht lief, keine Tränen waren sondern Blut. »Ich kann mich nicht verwandeln.«
Sein Blick durchbohrte sie. »Ich weiß. Deshalb bist du ja so perfekt.«
Na super, von allen Menschen auf der Welt, dachte ausgerechnet er, sie wäre perfekt!
Harper leckte sich die Lippen. »Unsere Kinder müssen sich nicht mehr wandeln. Sie werden ihre Kräfte von Geburt an haben.«
Ihre Kinder? »Da hätte ich eine Neuigkeit für dich«, brachte sie heraus. Seit einer Weile schon hatte sie keinen Mucks von Dee oder ihrer Mutter gehört. Seid bitte nicht tot! »Ich habe nicht vor, mit dir Kinder zu kriegen.« Das wäre das Letzte, was sie täte.
Mit einem Irren als Vater? Wohl kaum. Sie und ihre Mutter hatten einen sehr unterschiedlichen Männergeschmack.
Er atmete langsam aus, und wieder wehte ihr Minzduft entgegen. »Der beschissene Tiger, was? Ich habe dich beobachtet. Ich beobachte dich immer.«
Ja, das wusste sie. Sie hatte es zu oft gespürt.
»Ich bin gut darin, mich zu verstecken. Wie oft war ich dir nahe genug, um dich zu berühren, und du hattest keine Ahnung.«
Sie bekam eine Gänsehaut.
»Ich veränderte mein Haar, benutzte farbige Kontaktlinsen, hielt die Wandlung an, um mein Gesicht zu verändern.« Er brach ab und lachte. »Du hast nie was gemerkt!«
Er hielt die Wandlung an? Wie ging das denn? Die nächste Entwicklungsstufe.
»Ich liebe es, dich zu beobachten«, flüsterte er. »Ich liebe es, dein Gesicht zu sehen.« Seine Augen wurden eisig. »Und ich habe gesehen, wie du diesen Scheißkerl anguckst!« Speichel flog aus seinem Mund. »Du hast mit ihm gevögelt! Mich genauso betrogen wie deine Hure von Mutter!«
Ihre Krallen waren draußen. Bereit. Und seine Wunden waren nahe. Rede weiter. Beschäftige ihn. Provoziere seine Wut.
Wut könnte ihn schwächen.
Erin lächelte träge. »Ja, habe ich.«
»Du Schl…«
Sie stieß ihre Hände zwischen sie. Vergiss nicht, wie stark ich sein kann, Mistkerl!
Sein Fehler. Er war in menschlicher Gestalt geblieben. So könnte sie ihn überwältigen. Denn sie war genauso stark wie er, wenn nicht stärker. Vielleicht.
Es war Zeit, das herauszufinden.
Sie schlug ihre Krallen in seine blutenden Wunden und riss sie so fest nach oben, wie sie konnte.
Sein Kopf rammte gegen ihren, worauf schwarze Punkte vor ihren Augen tanzten.
Sie stolperte rückwärts, während er schon die Krallen über ihr hob.
Erin packte sein rechtes Handgelenk, dann das linke und umklammerte sie, so fest sie konnte. Knochen knacksten.
»Vollkommen«, raunte er und presste seinen Mund auf ihren.
Sie biss ihm die Lippen blutig, riss mit den Zähnen daran.
Doch der Mistkerl lachte nur.
Wütend und zu Tode verängstigt, stieß sie ihn von sich.
Harper stolperte nicht, schwankte nicht einmal. Er landete sicher auf seinen Füßen. Der Irre fand mühelos die Balance wieder und wischte sich mit dem Handrücken über seinen blutigen Mund. »Mir gefällt, wie du schmeckst«, sagte er und ließ seinen Blick über ihren Körper wandern. »Wenn du mit ihm zusammen bist, denkst du dann an mich?«
Was? »Nein!«
Mehr Gelächter. »Ich wette, dass ich in deinen
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