Jäger der Dämmerung
Blut aus den Wunden, die ihre Krallen gerissen hatten.
So wäre es nicht. Nicht mit einem anderen Gestaltwandler.
»Denkst du noch nach?«
Ihre Wangen glühten. »Nein«, log sie ziemlich mühelos. »Ich denke daran, dass ich das Blut drinnen nicht sehen will.« Okay, das war ehrlich.
Er stupste sie behutsam an, damit sie hineinging. »Musst du nicht. Ich habe ein Putzteam vorbeigeschickt, bevor Tony dich anrief und dir sagte, dass du wieder ins Haus kannst.«
»Das hast du?«
»Ähm…« Seine Nasenflügel bebten. »Ich schwöre, du hast den berauschendsten Geruch von allen … Frau, Rosen und … wild.«
Wild. Animalisch.
Er ließ die Tasche fallen, die Erin vorher gar nicht bemerkt hatte, weil sie viel zu sehr damit beschäftigt gewesen war, ihn anzustarren, und sie landete mit einem deutlichen Plumpsen auf den Dielen. »Ich nahm mir außerdem die Freiheit, deine Alarmanlage ein bisschen nachzubessern.«
Sie blickte sich zu den blinkenden Lichtern rechts um. »Nachbessern? Aber ich hatte schon das beste Sicherheitssystem bezahlt!« Das ihr rein gar nichts genützt hatte.
Ein kurzes Grinsen. »Diese Anlage ist besser. Aber sie ist bisher nicht auf dem Markt.«
Er hatte das Blut entfernen lassen, ihren Schutz verbessert UND war hier, um über Nacht zu bleiben. Erin konnte nur mit dem Kopf schütteln. »Du bist anders als ich erwartet hätte, Jude Donovan.« Ganz anders.
»Süße, du hast ja keine Ahnung.«
Das Radio plärrte, rüttelte den Wagen durch. Keine Klassik, keine Fahrstuhlmusik, wie Lee Givens sie hörte, wenn Mandanten oder Mitarbeiter in der Nähe waren.
Nein, das hier war seine Musik. Country durch und durch. Seine Daumen klopften den Takt auf dem Lenkrad, während er die gewundenen Straßen nach Hause fuhr.
Wieder ein verfluchter Tag erledigt. Er würde gleich zu Hause sein, sich den Gestank seiner Mandanten abduschen und dann mit seiner Ex telefonieren. Dieses Wochenende feierte sein Sohn Tommy seinen fünften Geburtstag, und er wäre auf der Party. Die letzten drei Wochenenden mit Tommy hatte er arbeitsbedingt verpasst.
Aber das kam nicht wieder vor.
Endlich hatte er alles geregelt. Sie machten ihn zum Partner in der Kanzlei, so dass er sich nicht mehr den Arsch abrackern musste, um sich irgendwem zu beweisen. Jetzt waren das protzige Büro und die leichten Fälle angepfiffen.
Er hatte Tommys neues Fahrrad parat stehen, komplett montiert und eingestellt, in der Garage, wo es nur auf den Jungen wartete
Ja, er hatte Melissa angerufen, obwohl es spät war, aber er vermisste seinen Sohn und sie, aber …
Blendend grelle Lichter schienen in seinen Rückspiegel.
»Scheiße!« Lee riss den Lenker herum, dass die Reifen quietschten. »Arschloch, mach das Fernlicht aus!« Er brachte seinen Wagen unter Kontrolle und überlegte, den einen Finger auszustrecken. Der Blödmann hinter ihm müsste es auf jeden Fall erkennen, denn dessen Scheinwerfer beleuchteten so ziemlich die gesamten Südstaaten.
Lee drückte den Fuß aufs Gas. Er würde den Idioten einfach abhängen. Ein paar Kurven weiter bog er sowieso von der Straße ab zu seinem Haus und dann …
Die grellen Lichter kamen rasch näher.
»Wenn du überholen willst, mach schon, verdammt!«, fluchte er, rollte sein Fenster herunter, streckte den Arm nach draußen und winkte nach vorn. »Komm schon!« Mann, solchen Mist brauche ich jetzt echt nicht! Er hätte näher zur Kanzlei ziehen sollen, aber er hatte das Haus behalten. Melissa gefiel es, und Tommy hatte sein Baumhaus hinten im Garten. Falls sie wieder zurückkamen, mussten sie genug Platz …
Der andere Wagen rammte ihn, dass Lees Wagen vorwärtsruckte. » Was soll das?« Vor Angst wurde seine Kehle trocken. Scheiße. Scheiße. Scheiße!
Ein Überfall.
Er hatte zu viele Fälle bearbeitet, sich zu viele Feinde gemacht, zu viele Drohbriefe bekommen. Drohungen, die er nie ernst nahm. Bis jetzt.
Er trat das Gaspedal bis zum Boden durch, aber der andere Wagen kam wieder näher. Im Rückspiegel sah er nichts als die Lichter, in deren grellem Schein ihm Sterne vor den Augen tanzten.
Was zur Hölle hatte der Kerl denn unter der Haube?
Oh Gott! Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Nein, auf keinen Fall …
Wieder krachte der Wagen in ihn hinein.
Lees Auto machte einen Satz vorwärts, und sein Kopf schnellte nach hinten. Der Gurt schnitt ihm in Schulter und Brust, und er schmeckte Blut auf seiner Zunge, weil er beim Aufprall draufgebissen hatte. Lee spuckte fluchend, als
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