Jäger der Dämmerung
…
Sein Wagen brach nach links aus. Erst jetzt konnte er für einen Sekundenbruchteil das Auto hinter ihm erkennen: ein großer schwarzer Geländewagen. Getönte Scheiben. Was zum Henker sollte das?
Zu nahe.
Lee umklammerte das Lenkrad so fest, dass seine Fingerknöchel weiß waren.
Der Geländewagen rammte ihn seitlich, und das war zu viel für Lees BMW.
Sein Auto schleuderte an den linken Straßenrand. Lee riss das Steuer herum und betete.
Nicht so! Er konnte doch nicht so abtreten!
Er stieß die Luft aus. Sein Herz wummerte so laut, dass er kaum noch das Radion hörte.
Abermals krachte der Geländewagen in ihn hinein.
Der BMW verlor den Kampf. Er schlingerte von der Straße und überschlug sich. Wieder und wieder.
Glas splitterte, der Airbag explodierte vor Lee zu einer weißen Wolke, die ihn umfing.
Das Radio ging aus.
Metall kreischte, barst, und der Wagen landete auf dem Dach.
Oh Gott, Tommy …
Es tut mir leid, mein Sohn.
Zu einfach. Lächelnd beobachtete er, wie der blaue Wagen in den Baum knallte. Dampf quoll unter der Motorhaube hervor.
Menschen waren so schwach.
Pure Zeitverschwendung.
Aber sollte der Mistkerl den Aufprall überlebt haben, könnte er sich vielleicht noch etwas Spaß mit dem Anwalt gönnen.
Vielleicht eine Menge Spaß.
Grinsend stieg er den Abhang hinunter.
Scheinwerfer leuchteten in der Ferne auf.
Verdammt!
Er hörte das Röhren des Truckmotors. Es war einer von diesen großen, aufgemotzten Trucks, wie sie die Dörfler in dieser Gegend gern fuhren.
Er biss die Zähne zusammen. Dieser Mord war noch nicht vorbei.
Aber der Truck kam näher, und er war zu sichtbar.
Einen letzten Blick warf er noch auf den verdrehten Wagen unten. Die Chancen standen ziemlich gut, dass das Arschloch tot war.
Und wenn nicht, gab es immer ein nächstes Mal.
Nächstes Mal.
Er wandte sich um und lief zu seinem Geländewagen zurück. Verschwand er schnell genug von hier, würde dem anderen Fahrer wohl nicht einmal das Wrack unten auffallen.
So waren Menschen. Völlig auf sich selbst konzentriert. Nie sahen sie Gefahr oder Tod, bevor es zu spät war.
Idioten.
Er sprang in seinen Wagen. Die Nacht war noch jung. Wenn er sich beeilte, könnte er seine Dame eventuell noch abfangen.
Eine weitere Jagd, und diese war die wichtigste von allen.
Sechstes Kapitel
Sie konnte nicht schlafen. Erin starrte an die Decke, während draußen leise platschender Regen einsetzte. Das Gewitter, das sich bereits seit dem späten Nachmittag ankündigte, war endlich da.
Das Tröpfeln wurde stärker, schneller und lauter.
Sie kniff die Augen zu.
Aber sie sah Jude.
Der Gestaltwandler hatte ganz auf Gentleman gemacht. Zunächst hatte er ihr das neue Sicherheitssystem gezeigt, dann ihr Haus von oben bis unten überprüft.
Sie hatten zusammen gegessen. Er hatte tatsächlich gekocht!
Danach brachte er sie bis an ihre Schlafzimmertür.
Und ging.
Ohne sie auch nur zu berühren.
Eigentlich sollte sie zufrieden sein, denn genau das müsste sie doch wollen.
Aber nein, sie wollte ihn. Sie wollte ihn so sehr, dass es wehtat.
Was für ihr Verlangen immer galt, schon seit sie sechzehn war. Wenn sie jemanden wollte, dann verzehrte sie sich nach ihm, sehnte sich so intensiv nach demjenigen, dass ihr ganzer Körper pochte.
Für die meisten Gestaltwandler war die Pubertät die Zeit, in der ihre wahren Kräfte erwachten. Und die der ersten Wandlung.
Anders bei Erin.
Die Bestie, oder was immer das Ding in ihr war, regte sich, und mit ihr ein grässliches Verlangen.
Kontrolle.
Sie war zum Mittelpunkt ihres Lebens geworden. Die Kontrolle wahren, immerzu.
Dann tauchte dieses Stalker-Arschloch auf und macht alles zunichte.
Sie rang die Hände unter dem Laken.
Wo war Jude? Als sie ihm das Zimmer neben ihrem anbot, hatte er den Kopf geschüttelt und sie mit einem Blick angesehen, der vor Gier loderte. »Zu nahe«, hatte er geraunt.
Nicht nahe genug.
Sie war völlig am Ende.
Wollte ihn.
Hatte Angst vor sich selbst.
Er kann mit mir umgehen.
Gestaltwandler waren stark, das wusste sie. Er würde mit allem fertig werden, was sie ihm zumutete.
Seine Schritte hallten durchs Haus, als er nach unten ging. Vielleicht war er in dem kleinen Gästezimmer, das sie eingerichtet hatte. Und hatte sein Hemd wieder ausgezogen, wie letzte Nacht.
Letzte Nacht .
Ihr Mund wurde trocken. Oh Gott! Seine Brust hatte vor Muskeln gestrotzt. Unter der Jeans wölbten sich die kräftigen Schenkel. Und als sein Mund auf ihrem lag
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